Three-Night-Stand (German Edition)
ein Schauer den Rücken hinunter. Am liebsten hätte sie TFP damals verklagt. Sie seufzte leise.
Ach, wenn doch nur Karen hier wäre. Mit ihrem kessen Mundwerk hätte sie nicht nur die Situation aufgelockert, sondern auch potentielle verbale Angreifer einfach in ihre Schranken gewiesen. Neben einem ausgeprägten Selbstbewusstsein war ihre Hauptlebenseinstellung ihrer eigenen Aussage nach ein ‚big fat Don‘t take shit from no one ‘. Wer sich mit ihr anlegte, wurde mit der Schlagkraft eines Profifootballers gnadenlos niedergemäht. Das galt gleichermaßen auf beruflicher wie privater Ebene.
Lisa musste gestehen, dass der Eindruck der knallharten Autorin, die sie wohl für viele darstellte, zu einem nicht unbedeutenden Teil der Hilfe und Unterstützung ihrer Anwältin und Freundin zu verdanken war. Karen hatte ihr nicht nur beim Schriftverkehr, den sie nicht offiziell als Anwältin für sie führen konnte, zur Seite gestanden, sie hatte sie auch vor jedem Telefonat ‚geimpft‘. Speziell schriftlich war Lisa ja nun auch selbst nicht gerade talentfrei, doch mündlich fehlte es ihr manchmal etwas an… Zeit. Einen Text vor der Veröffentlichung noch einmal zu überarbeiten war eben etwas ganz anderes, als einen schlagfertigen Spruch zu machen: Kam er verzögert oder falsch heraus, gab das vernichtende Abzüge in der B-Note.
„… Cooper ist großartig, nicht wahr?“ drang Ginas Stimme in ihre Gedanken. „Der talentierteste Jungregisseur, mit dem ich bis jetzt zusammengearbeitet habe.“ Sie strich sich ein wenig affektiert eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sicherlich nur zu diesem Zweck genau an Ort und Stelle drapiert worden war und, durch Tonnen von Haarspray fixiert, geduldig auf ihren Einsatz gewartet hatte.
„Ja, nach dem zu urteilen, was ich heute sehen konnte, erscheint er vielversprechend“, gab Lisa höflich zurück.
„Ooooh“, Gina tippte ihr spielerisch auf die Schulter, „das war aber sehr diplomatisch ausgedrückt, meine Liebe.“
Lisa sah sie an, doch das Lächeln in den Mundwinkeln der anderen zeigte ihr, dass sie nur ein wenig aufgezogen wurde. Sie erwiderte das Lächeln und hoffte, dass es keine Krämpfe in den Mundwinkeln geben würde. Oder Falten im Gesicht der Hauptdarstellerin – für deren Entstehen man dann sie, Lisa, verantwortlich machen würde. „Deutsche Autorin attackiert auf hinterhältige Weise Schauspielerin – Gesicht vielleicht auf ewig entstellt“. Vertrag weg, Klage am Hals, Ruin. Gar nicht auszudenken.
Sie nippte an ihrem Wasserglas und sah sich mit etwas im Blick um, von dem sie hoffte, dass es wie eine Mischung aus Coolness und – nein, Coolness reicht eigentlich. Hey, sie war cool. Aber auch so was von cool. Sie rockte die Show auch alleine.
Wann kam Nick denn bloß wieder? Auch wenn ihr kleines Techtelmechtel nicht gerade zu einer entspannten Arbeitsatmosphäre beitrug, so fühlte sie sich in seiner Nähe doch weniger... was? Alleingelassen?
‚Och, nun komm schon, Lisa!‘ schalt sie sich selbst. ‚Du bist eine erwachsene, erfolgreiche Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Du hast es nicht nötig, dich an Nickileins Jackenzipfel festzukrallen.‘
Aber jetzt mal im Ernst, wie lange konnte ein Mensch auf der Toilette verbringen? Ob er dort jemanden getroffen hatte? Oder sich dort mit jemandem vergnügte? Man wusste ja nie. Schüchtern hatte er zumindest in dieser verhängnisvollen Nacht nicht gewirkt – was auch am Alkohol gelegen haben mochte. Oooooh, jetzt bloß keine Bilder von eng verschlungenen, sich im Liebestaumel windenden Körpern in ihrem Kopf, nein, nein, nein. Sie musste lernen, die Worte Nick und Sex nie wieder im selben Atemzug zu denken, geschweige denn zu sagen. Sie war nur zu ungeduldig und er, wie er behauptet hatte, nicht der typische One-Night-Standler. Vielleicht ein One-Day-Standler? Man stelle sich das als Filmtitel vor. Klang eher nach bayerischem Komödienstadl und das war nicht… so ganz ihre Welt. Eigentlich überhaupt nicht.
Lisa unterdrückte das alberne Kichern, das in ihrem Hals zu gurgeln begann und überspielte es mit einem Husten, von dem sie hoffte, dass es nicht so affektiert klang, wie sie glaubte. Gina schenkte ihr einen übertrieben besorgten Blick und entschuldigte sich dann mit der Ausrede, ihr noch ein wenig Wasser holen zu wollen.
‚Gutes Benehmen, Lisa!‘ mahnte sie sich selbst und als hätten sie auf ein Kommando gewartet, rauschten tausend Dinge gleichzeitig durch ihren Kopf. Ha, Kopf!
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