Thunderhead - Schlucht des Verderbens
unberührt und im Großen und Ganzen so belassen wird, wie wir es vorgefunden haben.« Sie warf Sloane, die aufmerksam zugehört hatte, einen fragenden Blick zu. »Stimmen Sie mir zu?«
Nach einer kurzen Pause nickte Sloane.
Aragon sah die beiden Frauen an. »Unter den gegebenen Umständen finde ich diese Entscheidung akzeptabel«, sagte er, lächelte kurz und erhob sich.
Erwartungsvolle Stille machte sich in der Gruppe breit.
»Nora«, sagte Aragon schließlich. »Ich möchte Ihnen im Namen aller zum Erfolg dieser Expedition gratulieren.«
Als Nora hörte, wie die anderen in die Hände klatschten und Black sogar einen anerkennenden Pfiff losließ, spürte sie eine Woge der Freude in sich aufsteigen.
Als Nächster erhob sich Smithback und hielt eine Feldflasche in die Höhe. »Und ich möchte einen Toast auf Padraic Kelly aussprechen, den Mann, ohne den wir jetzt nicht hier wären.«
Bei der Erwähnung ihres Vaters, die noch dazu von Smithback kam, spürte Nora, wie sich ihr plötzlich die Kehle zuschnürte. Den ganzen Tag über hatte sie bereits an ihren Vater gedacht und gehofft, vielleicht doch noch eine Spur von ihm zu finden. Nun war sie Smithback dankbar, dass er an ihn erinnerte.
»Danke«, sagte sie, während Smithback einen Schluck aus der Feldflasche nahm und sie ihr weiterreichte.
Die Expeditionsteilnehmer verfielen in Schweigen. Obwohl die Dunkelheit hereinbrach und es langsam Zeit wurde, über die Strickleiter hinunter zum Abendessen zu steigen, schien keiner diesen magischen Ort verlassen zu wollen.
»Mir will noch immer nicht in den Kopf, weshalb die Anasazi das ganze Zeug zurückgelassen haben«, meinte Smithback. »Das ist ja fast so, als würde man von Fort Knox Weggehen und die Türen offen stehen lassen.«
»Dieses Verhalten war für die Anasazi nicht ungewöhnlich«, erklärte Nora. »Man darf schließlich nicht vergessen, dass diese Menschen zu Fuß unterwegs waren und keine Lasttiere hatten. Es war für sie einfacher, ihre Sachen zurückzulassen und sich woanders neue anzufertigen, als das gesamte Hab und Gut auf dem Rücken mitzuschleppen. Deshalb haben die Anasazi auf ihren Wanderungen nur ihre wichtigsten Heiligtümer und ihre Türkise mitgenommen.«
»Aber hier sieht es doch so aus, als hätten sie selbst die Türkise dagelassen. Zumindest liegt jede Menge von dem Zeug herum.«
»Das stimmt«, sagte Nora nach kurzem Nachdenken. »Dieses Verhalten ist eigentlich untypisch für die Anasazi. Mir kommt es übrigens fast so vor, als hätten sie alles dagelassen. Und das ist ja gerade einer der Umstände, der diese Stadt so einmalig macht.« »Der Reichtum der Stadt und die vielen zeremoniellen Artefakte lassen mich vermuten, dass es sich bei ihr um ein religiöses Zentrum gehandelt haben muss, das sogar Chaco in den Schatten stellt«, sagte Aragon. »Eine Stadt der Priester.«
»Eine Stadt der Priester?«, fragte Black mit skeptischem Unterton. »Warum sollte eine Stadt der Priester sich ausgerechnet hier befinden, weitab vom Schuss, am äußersten Rand des Anasazi-Gebiets? Was mich persönlich sehr viel mehr interessiert, ist der festungsartige Charakter der Stadt. Das beginnt schon mit der Lage, die sie praktisch uneinnehmbar macht. Man könnte fast glauben, dass die Erbauer von Quivira unter einer Art Verfolgungswahn gelitten haben.«
»Das würde ich wahrscheinlich auch wenn ich so viele Reichtümer hätte«, murmelte Sloane.
»Aber wenn die Stadt uneinnehmbar war, weshalb haben die Anasazi sie dann verlassen?«, fragte Holroyd.
»Möglicherweise haben sie das Tal zu intensiv landwirtschaftlich genutzt«, antwortete Black mit einem Schulterzucken. »Ausgelaugte Böden. So einfach kann das sein. Schließlich kannten die Anasazi noch keinen Dünger.«
Nora schüttelte den Kopf. »Das Tal reicht bei weitem nicht aus, um darin genügend Nahrung für eine Stadt dieser Größe anzubauen. Wer die gut hundert Kornspeicher füllen wollte, die wir da drinnen gesehen haben, musste die Nahrung tonnenweise von anderswoher importieren. Aber das wirft schon wieder die Frage auf, weshalb man eine so große Stadt ausgerechnet hier erbaut hat, wo sie nur über eine schwer passierbare Straße und einen engen Slot-Canon zu erreichen war, der noch dazu während der Regenzeit die meiste Zeit unpassierbar gewesen sein dürfte.«
»Wie ich bereits sagte«, meldete sich Aragon wieder zu Wort,
»War Quivira eine Stadt der Priester, die am Ende eines langen und beschwerlichen Pilgerpfades lag.
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