Thunderhead - Schlucht des Verderbens
getragen hatte, war Sloane schnell wie eine Spinne die Wand hinabgeklettert und hatte bei Blacks Eintreffen im Lager, den Sender bereits neben den Säcken mit den anderen Ausrüstungsgegenständen abgestellt.
Noras ungeduldige Stimme riss Black aus seinen Gedanken. »Nun, was sagt der Wetterbericht?«, hörte er sie Sloane fragen.
Sloane zögerte.
»Die Zeit drängt, Sloane. Würden Sie mir jetzt bitte mitteilen, wie der Wetterbericht lautet.« Die Gereiztheit in Noras Stimme war unüberhörbar.
»Blauer Himmel und sommerlich warme Temperaturen für den Rest des Tages«, erwiderte Sloane monoton. »Die Niederschlagswahrscheinlichkeit liegt bei weniger als fünf Prozent.«
Argwohn und Besorgnis verschwanden aus Noras angespanntem Gesicht und machten einem Ausdruck der Erleichterung Platz. »Gott sei Dank«, sagte sie. »Vielen Dank Ihnen beiden. Ich möchte jetzt, dass Sie alle zusammen die letzten Säcke an ihren Lagerplatz in der Stadt schaffen. Wenn das erledigt ist, soll Aaron den Zugang zur Höhle mit dem Sonnen-Kiva wieder verschließen. Es wäre gut, wenn Sie ihn begleiten würden, Roscoe. Passen Sie gut aufeinander auf. Bill, Enrique und ich kümmern uns inzwischen um Peters Leiche und bringen ein paar Sachen durch den Slot-Canon. In eineinhalb Stunden sind wir wieder hier.«
Ein seltsames, ihm bisher vollkommen fremdes Gefühl kroch Black die Wirbelsäule hinauf. Als wäre er nicht wirklich da, trat er neben Sloane und beobachtete, wie Nora Smithback und Aragon zu sich herwinkte. Nachdem jeder der drei einen der wasserdichten Säcke geschultert hatte, zogen sie los in Richtung Eingang des Slot-Cafions.
Black schaute ihnen einen Augenblick nach dann wandte er sich Sloane zu. »Was machst du da?«, flüsterte er mit unsicherer Stimme.
Sloane sah ihn an. »Was ich mache? Ich mache gar nichts, Aaron.«
»Aber wir haben da oben doch...«, begann Black und verstummte.
»Wir haben da oben den Wetterbericht gehört«, zischte Sloane und trat ganz dicht an ihn heran. »Und den haben wir Nora übermittelt, und zwar genau so, wie sie es uns aufgetragen hat. Wenn du da oben irgendetwas anderes gesehen hast, dann sag es jetzt. Wenn nicht, halt gefälligst den Mund.«
Sloanes Lippen waren ganz weiß. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie beobachtete, wie Nora und die beiden Männer den Fluss durchquerten, den kleinen Geröllhang hinaufkletterten und schließlich im dunklen Spalt des Slot-Canons verschwanden. Dann nickte sie Black langsam und bedeutungsvoll zu.
46
J ohn Beiyoodzin hielt sein Pferd auf dem Kamm des Bergrückens j an und blickte hinab ins Tal von Chilbah. Das Tier hatte den gefährlichen Aufstieg gut gemeistert, aber es schwitzte stark und zitterte vor Anstrengung. Beiyoodzin murmelte dem Pferd ein paar beruhigende Worte ins Ohr und ließ es eine Weile rasten. Das schmale Band des Flusses, das sich am Boden des grünen Tals entlangwand, glitzerte in der Sonne des Vormittags wie eine Schlange aus Quecksilber. Auf den Terrassen oberhalb des Wasserlaufs bewegte eine schwache Brise die Blätter der Pappeln und Eichen. Hier oben wehte ein stärkerer Wind, und in der Luft lag ein Geruch nach Salbei und Ozon. Auf einmal spürte Beiyoodzin von hinten eine Bö, die so stark war, dass sie ihn fast aus dem Sattel geweht hätte. Beiyoodzin widerstand dem Impuls, sich umzudrehen, denn er wusste nur zu gut, was hinter ihm am Himmel dräute.
Sein Pferd schüttelte den Kopf, und Beiyoodzin klopfte ihm beruhigend auf den Hals. Er schloss einen Moment lang die Augen und versuchte sich gedanklich auf die Konfrontation vorzubereiten, die vor ihm lag.
Aber die Ruhe, nach der er suchte, wollte sich nicht einstellen. Er hätte der Frau alles sagen sollen, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Sie war ihm gegenüber ehrlich gewesen und hätte es somit verdient gehabt, dass er sie aufklärte. Es war dumm von ihm gewesen, ihr nur die Hälfte der Geschichte zu erzählen. Schlimmer noch: Seine Lüge war unfreundlich und selbstsüchtig gewesen. Und jetzt hatte er wegen seines Versäumnisses einen Ritt auf sich nehmen müssen, den er eigentlich um jeden Preis hatte vermeiden wollen. Nur mit Mühe konnte er sich dazu bringen, über den entsetzlichen Charakter des Bösen nachzudenken, dem er sich jetzt entgegenstellen musste, aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte: Er sah einem Konflikt entgegen, in dem er womöglich den Tod finden würde.
Beiyoodzin war sich über die Situation, in der er sich befand,
Weitere Kostenlose Bücher