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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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hinein.
    Nora trat hinaus in die frühmorgendliche Kühle und sah sich um. Es würde erst in etwa eineinhalb Stunden hell werden, aber die Venus leuchtete schon am samtschwarzen Himmel. Nora sah, dass die Fahrzeuge des Instituts leer waren, und vermutete, dass die anderen bereits am Lagerfeuer saßen, wo Goddard die Teilnehmer der Expedition miteinander bekannt machen und sich persönlich von ihnen verabschieden wollte. In einer Stunde würde die Fahrt nach Page in Arizona losgehen, das am Ufer des Lake Powell lag. Höchste Zeit, dass sich auch Nora zu den anderen begab.
    Dennoch blieb sie noch einen Augenblick lang stehen. Die Luft war erfüllt von den Geräuschen ihrer Kindheit - dem Klatschen der Sattelriemen, dem Pfeifen und Rufen der Cowboys, dem Trampeln der Pferdehufe in den Transportern und dem Klappern der Gattertore. Während ihr der Geruch von brennendem Pinienholz, Pferden und Staub in die Nase stieg, begann sich ihre innere Verkrampfung langsam zu lösen. Die vergangenen drei Tage über war sie extrem vorsichtig und wachsam gewesen, hatte aber nichts Beunruhigendes entdeckt. Dennoch war ihr die Frage, wer wohl den Brief ihres Vaters eingeworfen hatte, nie ganz aus dem Kopf gegangen. Wenigstens hatte sich die Expedition erstaunlich schnell und reibungslos zusammengefunden, und dabei war nicht ein einziges Wort über das Vorhaben an die Öffentlichkeit gedrungen. Hier, weit weg von Santa Fe, hatte Nora zum ersten Mal seit längerer Zeit das Gefühl, dass sie nicht mehr ständig unter Strom stand. Wenn die Expedition erst einmal begonnen hatte, würde sie ihre seltsamen Verfolger weit hinter sich lassen.
    Ein Cowboy mit einem abgewetzten Hut kam aus der Koppel und führte an jeder Hand ein Pferd hinüber zu den Transportfahrzeugen. Der Mann war nicht größer als einen Meter fünfundfünfzig, aber schlank und kräftig gebaut und hatte einen tonnenförmigen Brustkorb und kurze O-Beine. Er drehte sich um und rief den Ranch-Helfern ein paar mit Schimpfwörtern gespickte Anweisungen zu. Das muss Roscoe Swire sein, dachte Nora, der Cowboy, den Goddard für die Expedition angeheuert hat. Es kam ihr vor, als würde Swire sein Geschäft verstehen, aber sie musste auch an einen Ausspruch ihres Vaters denken: »Was ein Cowboy wert ist, weißt du erst, wenn du ihn reiten gesehen hast.« Abermals ärgerte sich Nora über die Art, wie selbstherrlich Goddard darauf bestanden hatte, das Personal bis hin zum Expeditionscowboy höchstpersönlich anzuheuern. Wer zahlt, schafft an, dachte sie.
    Nora holte ihren Sattel von der Ladefläche des Pick-ups und trat auf den Cowboy zu. »Sie sind Roscoe Swire?«, fragte sie.
    Er drehte sich zu ihr um und zog mit einer Geste, die höflich und ironisch zugleich war, seinen Hut. »Zu Ihren Diensten«, sagte er mit einer für einen so kleinen Mann erstaunlich tiefen Stimme. Swire hatte einen buschigen Schnurrbart, fleischige Lippen und trotz seiner großen, traurigen Augen, die Nora irgendwie an die einer Kuh erinnerten, etwas Kampflustiges, ja fast Aufsässiges an sich.
    »Ich bin Nora Kelly«, stellte sie sich vor und drückte ihm die kleine Hand. Sie war rau und schwielig. Nora hatte das Gefühl, einen Wetzstein anzufassen.
    »Dann sind Sie ja der Boss von dem Ganzen hier«, sagte Swire grinsend. »Angenehm.« Er warf einen Blick auf Noras Sattel. »Wo haben Sie den her?«
    »Der gehört mir. Ich dachte, dass Sie ihn vielleicht in einem der Pferdeanhänger verstauen könnten.«
    Swire setzte sich bedächtig seinen Hut wieder auf. »Der sieht so aus, als hätte er schon ganz schön was mitgemacht.«
    »Ich besitze ihn seit meinem sechzehnten Lebensjahr.«
    Swire lächelte wieder. »Sieh mal einer an: eine Archäologin, die reiten kann.«
    »Ich kann auch Packpferde beladen und ziemlich gut mit dem Lasso umgehen«, erklärte Nora.
    Swire holte ein Stück Kautabak aus seiner Hosentasche und schob es sich in den Mund. »Bescheidenheit ist wohl nicht gerade Ihr Ding«, bemerkte er, während er schon zu kauen begann. Dann besah er sich den Sattel genauer. »Ein schönes Stück. Ein Dreiviertel-Single-Rig. Kommt wohl aus der Valle-Gande-Sattlerei, oder? Wenn Sie den jemals verkaufen wollen, lassen Sie es mich wissen.«
    Nora lachte.
    »Die anderen sind gerade hinauf zur Feuerstelle gegangen. Was sind das für Leute? Ein Haufen New Yorker auf Urlaub oder was?«
    »Die meisten von ihnen kenne ich selber nicht«, antwortete Nora, der Swires sarkastische Art gefiel. »Wir sind eine gemischte

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