Thunderhead - Schlucht des Verderbens
entdecken können. Vielleicht wartete Sloane ja im vollklimatisierten Büro des Managers auf sie. Die Fahrzeuge des Instituts fuhren auf die westliche Verladepier, die wie ein dicker Betonfinger in den See ragte, und parkten hintereinander in der brütenden Hitze. Die Teilnehmer der Expedition und die Institutsangestellten, die mitgekommen waren, um Autos und Anhänger wieder zurück nach Santa Fe zu bringen, stiegen aus.
Jetzt erst sah Nora, wie hässlich der Hafen wirklich war. Styropor Becher, Bierdosen, Plastiktüten und aufgeweichte Zeitungen trieben im flachen Wasser vor der Pier herum, und zwei große Hinweistafeln verkündeten: WASSERSKIFAHREN NUR IM U HRZEIGERSINN GESTATTET und VIEL SPA SS AUF DEM L AKE POWELL ! Schier endlose Reihen von Hausbooten, die Nora an schwimmende Wohnmobile erinnerten, waren zu beiden Seiten der Pier am Ufer vertäut. Sie waren in bunten Farben gestrichen und trugen Namen wie »Daddys Laube« und »Kleiner Indianer«.
»Was für ein seltsamer Ort«, sagte Holroyd und streckte sich. »Und so verflucht heiß«, maulte Black und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Während sich Swire an den Pferdeanhängem zu schaffen machte, sah Nora, wie eine überlange schwarze Limousine quer über den Parkplatz auf die Pier zugefahren kam. Auch die Touristen im Hafen hatten den ungewohnten Anblick entdeckt und machten einander darauf aufmerksam. Nora rutschte für einen Augenblick das Herz in die Hose. Gott im Himmel, dachte sie. Bitte lass das nicht Sloane Goddard sein. Nicht in dieser Limousine. Dann kam der Wagen zum Stehen, und zu Noras Erleichterung stieg ein großer junger Mann aus einer der hinteren Türen; er streckte etwas unbeholfen seine mageren Glieder und nahm durch die dunkelgrünen Gläser einer Ray-Ban-Sonnenbrille den Hafen in Augenschein.
Zu ihrem Erstaunen bemerkte Nora, wie sie den Mann anstarrte. Er war zwar nicht direkt gut aussehend, aber seine hohen Backenknochen, seine Adlernase und vor allem die lässige, selbstbewusste Art, die er zur Schau trug, hatten etwas Faszinierendes für sie. Seine braunen Haare standen nach allen Seiten wild vom Kopf ab, so, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen. Wer, um alles in der Welt, mag denn das sein?, fragte sie sich.
Inzwischen hatte sich um den Mann schon eine Gruppe von Schaulustigen geschart, die rasch größer wurde. Nora sah zu, wie der Neuankömmling mit den Leuten sprach.
Black verfolgte die Szene ebenfalls. »Überlegen Sie sich auch gerade, wer der Typ da ist?«
Nora riss sich von dem Anblick los und begab sich auf die Suche nach Ricky Briggs, dem Manager des Jachthafens. Auf ihrem Weg zum Verwaltungsgebäude kam sie an der Limousine vorbei und blieb am Rand der Menschenmenge stehen, um noch einen Blick auf den Mann zu werfen. Er trug nagelneue Jeans, die noch ganz steif aussahen, ein knallrotes Halstuch und teure Cowboystiefel aus Alligatorenleder. Durch das Gemurmel der Menge konnte sie nicht verstehen, was der Mann sagte, aber sie bemerkte, dass er ein Taschenbuch in der Hand hielt, in das er etwas hineinkritzelte, bevor er es mit einer offenbar witzigen Bemerkung einem ausgesprochen drallen Mädchen in einem knappen Tanga gab. Die Umstehenden lachten und verlangten nach mehr Büchern.
Nora wandte sich an eine Frau, die neben ihr stand. »Wissen Sie, wer das ist?«
»Keine Ahnung«, antwortete die Frau. »Aber er muss wohl berühmt sein.«
Gerade als sie wieder gehen wollte, hörte Nora ganz deutlich, wie der Mann ihren Namen nannte.
»Es ist eine vertrauliche Angelegenheit«, fuhr er mit näselnder Stimme fort, »über die ich Ihnen leider noch nichts erzählen darf. Aber wenn Sie noch ein paar Wochen warten, dann...«
Nora begann sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
»...können Sie alles darüber in der >New York Times< lesen. Später wird es auch ein Buch geben, das...«
Sie schob mit dem Ellenbogen einen dicken Mann in geblümten Bermudashorts beiseite.
»...alles über die aufregendste Expedition enthalten wird, die jemals...«
»Hey!«, rief Nora, die jetzt vor der Limousine angelangt war. Der junge Mann sah sie einen Augenblick lang konsterniert an, bevor er in ein breites Grinsen ausbrach. »Sie sind bestimmt...«
Nora packte ihn am Arm und begann ihn von der Limousine wegzuzerren.
»Aber mein Gepäck!«, protestierte der Mann.
»Halten Sie bloß Ihren Mund, verdammt noch mal«, fauchte Nora und zog ihn hinter sich her durch die Menge, die beim Anblick ihres wütenden Gesichts nach
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