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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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üblichen Tonscherben: hauptsächlich weiße Keramik im Pueblo-III-Mesa-Verde- und graue, mit Mustern verzierte im späten Tusayan-Stil. Um das Jahr 1240 herum, dachte Nora. Nichts Besonderes.
    Sloane, die rasch einen Plan der Ruine gezeichnet hatte, holte nun eine Pinzette und ein paar Plastikbeutel aus ihrem Rucksack. Nachdem sie die Beutel mit einem dicken Filzstift beschriftet hatte, bückte sie sich und nahm mit der Pinzette ein paar Tonscherben sowie einige der dazwischen verstreuten Maiskörner auf. Nachdem sie die Proben sorgfältig in die Plastiksäcke verpackt hatte, markierte sie die Fundstellen auf ihrem Plan. Sie arbeitete rasch und geschickt, und Nora musste zu ihrer Überraschung anerkennen, dass Sloane genau wusste, was sie tat. Sie benahm sich so, als habe sie schon bei vielen professionellen Ausgrabungen mitgearbeitet.
    Sloane verstaute die Proben in ihrem Rucksack. Dann holte sie daraus ein kleines Instrument hervor und trat auf einen der Holzbalken zu, die an verschiedenen Stellen aus den Wänden des Raumes ragten. Ein leises, surrendes Geräusch ertönte. Nora wusste, dass Sloane jetzt mit einem batteriebetriebenen Bohrer eine Holzprobe aus dem Balken entnahm. Vermutlich wollte sie das Stück einer Jahresringanalyse unterziehen lassen. Anhand des Wachstumsmusters der Ringe konnte ein Geochronologe wie Aaron Black genau das Jahr bestimmen, in dem der Baum gefällt worden war. Erst als das Geräusch aufhörte, empfand Nora eine tiefe Verärgerung darüber, dass Sloane, ohne sie um Erlaubnis zu fragen, die Ruhe der Ruine gestört und ganz selbstverständlich ihre Probe entnommen hatte.
    Als die junge Frau Noras Gesicht sah, wusste sie sofort, was los war. »Hätte ich das nicht tun sollen?«, fragte sie.
    »Das nächste Mal wäre es mir lieb, wenn Sie eine solche Aktion vorher mit mir absprechen würden.«
    »Tut mir Leid«, sagte Sloane in einem Ton, der Nora wegen seiner fehlenden Aufrichtigkeit noch mehr in Rage brachte. »Ich dachte, wir könnten diese Probe gebrauchen, um...«
    »Das ist ja richtig. Wir können sie tatsächlich brauchen«, erwiderte Nora, die Mühe hatte, ihre Stimme neutral zu halten. »Aber darum geht es mir jetzt nicht.«
    Sloane warf ihr einen kühlen, abschätzigen Blick zu, der fast an Unverschämtheit grenzte. »Ich werde es bestimmt nie wieder tun«, sagte sie, wobei sich auf ihrem Gesicht ihr gewohntes amüsiertes Grinsen wieder breit machte. »Großes Ehrenwort.«
    Nora wandte sich ab und ging zum Eingang der Ruine. Ihr wurde bewusst, dass ihre Verärgerung zum Teil darauf beruhte, dass sie sich auf eine unterschwellige, mit Vernunft nicht zu erklärende Weise in ihrer Position als Leiterin der Expedition angegriffen fühlte. Sie hatte nicht geahnt, dass Sloane bereits eine so erfahrene Archäologin war, und insgeheim geglaubt, Dr. Goddards Tochter Nachhilfestunden im korrekten Ausgraben von Ruinen erteilen zu können. Von dieser Vorstellung musste sie sich nun verabschieden. Als sie sich wieder beruhigt hatte, tat es ihr schon wieder Leid, dass sie Sloane gegenüber ihre Gefühle gezeigt hatte. Schließlich musste sie zugeben, dass der bleistiftdünne Bohrkern, den Sloane aus dem Balken entnommen hatte, am Ende wohl die wichtigsten Informationen über die Ruine liefern würde.
    Mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete Nora in den ersten Raum hinein und sah, dass er relativ gut erhalten war. An den mit Lehm verputzten Wänden waren sogar noch die Spuren von gemalten Verzierungen zu erkennen. Nora richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Boden, der dick mit dem im Lauf vieler Jahrhunderte hereingewehten Sand und Staub bedeckt war. In einer Ecke konnte sie einen Metate ausmachen - einen in der Mitte vertieften Felsbrocken, auf dem die Anasazi Getreide gemahlen hatten. Daneben lag noch der zerbrochene, Mano genannte Handläufer im Staub.
    Sie befestigte das Blitzgerät an ihrer Kamera und schoss ein paar Aufnahmen, bevor sie sich dem nächsten Raum zuwandte. Dieser war ebenso voller Staub wie der erste, und seine Wände sahen - was sehr ungewöhnlich war - so aus, als wären sie mit dicker schwarzer Farbe bemalt. Vielleicht aber handelte es sich ja auch nur um eine Rußschicht, die von einem Kochfeuer herrührte. Nora ging durch eine niedrige Tür in einen dritten Raum, der bis auf eine Feuerstelle in der Mitte ebenso leer war wie die ersten beiden. Nora erkannte den Comal, den polierten Kochstein, der auf mehreren kleineren Steinen stand. Die Sandsteindecke des

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