Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
Alles an ihm war Ablehnung. Er konnte mit ihrer offen zur Schau gestellten Lüsternheit nichts anfangen, der arme Kerl.
Wenn er ahnte, welche Wonnen ich ihm bereiten könnte, sofern er mich nur an sich ranließe …
»Sag Nadja, dass wir auf ihren Vorschlag eingehen. Ich werde dafür sorgen, dass die Allianz zwischen Fanmór und Bandorchu für die Dauer des Kampfes um Lyonesse Bestand hat. Dennoch soll sie sich in Acht nehmen. Sie darf Alebin keinesfalls unterschätzen. Er ist uns zu oft entkommen, als dass wir noch an Glück glauben könnten. Er trägt Begabungen in sich, die ihn zu einem der bedeutendsten Elfen dieser Zeit hätten machen können.« Abrupt brach der Getreue seine nachdenklichen Betrachtungen ab. »Es wird Zeit, dass du gehst. Ein Teil von mir wird hierbleiben, du kannst mich jederzeit kontaktieren. Danke für deine Unterstützung.«
Der Getreue beugte sein Haupt vor ihr. Gut so. Er wusste, was sich gehörte.
Podarge erwiderte den Abschiedsgruß. Sie wollte soeben ihre Flügel in den Gedankenwind erheben, als ihr etwas einfiel. »Sag mal, guter Freund …«
»Ja?«
»Ich hatte schon lange kein richtiges Bad mehr. Lyonesse ist in dieser Beziehung nicht besonders ergiebig. Überall diese Rosen, Schmetterlinge, Bienen, Düfte … bäh!«
»Und du suchst …?«
»Natürlich eine tiefe, stinkende Kloake!«, krächzte Podarge inbrünstig.
19 Begegnungen, Teil 3
Der Ehrenwerte Herr Li Ziyang legte die beiden roten Kuverts beiseite und bedankte sich freundlich lächelnd für die Geldgeschenke. Dann schälte er sich aus seinem Gewand und schob die Beine vorsichtig ins Wasser. Es war angenehm kühl; es würde ihm helfen, die dampfende Hitze, die über dem Land lag, für eine Weile zu vergessen.
Die Ehrenwerten Herren Xang und Yang lachten und deuteten mit den Fingern auf ihn. Sie durften es; sie waren ihm gleichgestellt. Von den Zusehern am Uferrand erwartete Li Ziyang, dass sie keine Miene verzogen. Die Begleiter und Leibwächter hatten kein Recht, sich die Anwesenheit der drei Provinz-Honoratioren in irgendeiner Form bewusst zu machen. Sie waren verpflichtet, an ihre Arbeit und sonst nichts zu denken.
Li Ziyang lachte ebenfalls, während seine beiden Kollegen über die glitschigen Ufersteine tapsten und zu ihm ins Wasser kamen. Auch sie trugen mächtige Bäuche vor sich her. Bäuche, die von Glück, Reichtum und Gesundheit kündeten.
Er warf einen Blick in Richtung Süden. Dort, nahe dem Damm und über dem Glockenturm, der ein englisch-viktorianisches Bauwerk als Vorbild hatte, türmten sich bereits die Monsunwolken. Sie hatten vielleicht noch eine Stunde, bevor sich Regenmassen über dem Stausee ergießen würden.
»Es ist uns ein besonderes Privileg«, begann der Ehrenwerte Herr Xang keuchend, »den heutigen Tag mit Ihnen verbringen zu dürfen.« Mühsam hielt er sich über Wasser. Es war ihm anzusehen, dass er keinerlei Erfahrung mit dem kühlen Nass hatte, wie die meisten Han- Chinesen, die im Norden der Stadt Guangzhou groß geworden waren.
Li Ziyang deutete ein Nicken in Richtung beider Gäste an. »Auch ich weiß die Ehre zu schätzen, Sie von den natürlichen Reichtümern dieses wunderschönen Stadtteils überzeugen zu dürfen.«
Die üblichen Höflichkeitsformeln mussten ausgetauscht werden. Es würde zehn Minuten dauern, bis sie auf den Kern ihres Gesprächs kamen. Vielleicht würde es dieses Mal etwas weniger Zeit in Anspruch nehmen. Mit der körperlichen Konstitution seiner beiden Begleiter stand es sichtlich nicht zum Besten. Dennoch – das Huadu-Wasserreservoir nahe dem westlich ausgestatteten Urlaubsdorf, das ebenso wie der Stausee »Neun Drachen« getauft worden war, erlaubte es ihnen, weitab von Mithörern Gespräche zu führen, die ausschließlich für ihre Ohren bestimmt waren. Der Uferstreifen war abgesperrt, die Ruder- und Fischerboote an Land zurückgescheucht worden. Bauern standen untätig entlang des Ufers. Sie wussten nicht, wie sie auf diese merkwürdige Situation reagieren sollten. Doch Jahrtausende der Knechtschaft hatten sie gelehrt, ruhig zu bleiben.
Selbst mit Richtmikrofonen würde kaum ein Wort der Unterhaltung zu verstehen sein, die die Ehrenwerten Herren führten. Der Wellenschlag und ihre eigenen Schwimmgeräusche würden dafür sorgen.
Li Ziyang schwamm seinen Verhandlungspartnern voraus. Mittlerweile waren sie fünfzig Meter vom mit weißen Kieselsteinen eingesäumten Uferrand entfernt. Das Wasser unter ihnen wies die typische grünblaue Färbung auf.
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