Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
Elfen begleitete, sah ihn verwirrt an. Sie saß neben ihm auf dem Kuckuckspferd und blickte sich ein ums andere Mal um, von den Eindrücken einer völlig anderen Welt vollends überfordert. Der Reservegaul trabte an einer dünnen Leine hinterher.
»Ich rede von der hohen Diplomatie.« Alebin blieb geduldig. Gwynne war ein wichtiger Bestandteil seines Planes, wenn nicht gar der wichtigste. »Aber das braucht dich nicht zu kümmern, meine Liebe. Genieß unseren Ausflug. Ich bin mir sicher, es gefällt dir, was du zu sehen bekommst.«
Sie waren über ein nur selten benutztes Tor nach Earrach eingereist. Kein Wächter war ihnen in die Quere gekommen, wie auch die Nähe des gefährlichen und zurzeit wieder von Achyl dem Hirnbeiß besetzten Schlängelpasses die Aufmerksamkeit der hiesigen Elfen auf sich zog. Alebin und seine Begleitung hatten auf ihrem Ausflug nichts zu befürchten; zumindest so lange nicht, bis sie Kortenbrunn erreicht hatten.
»Mir ist kalt«, klagte Gwynne.
»Es ist nicht mehr weit bis zu unserem Ziel. Hab ein wenig Geduld.« Die einfache Frau war so naiv, so vertrauensselig. Er hatte sie mithilfe bearbeiteter Runenwürfel einem umherstreunenden Söldner abgeluchst; seit einigen Monaten wärmte sie ihn während der Nächte, und ihre Naivität prädestinierte sie für das Experiment, das in wenigen Stunden beginnen würde.
Ihr Weg führte durch Wälder und über ausgedehnte Ebenen. Kaum jemand ließ sich blicken, die wenigen Felder wirkten vernachlässigt. Die Natur eroberte allmählich die ihr entrissenen Flächen zurück. Sobald die Reiter freie Sicht auf die Umgebung hatten, stach ihnen der seit langer Zeit schwelende Brand am Schlängelpass ins Auge. Achyl der Hirnbeiß rannte immer wieder mit seinen wilden Horden gegen die Verteidiger an. Grundlos, wie Alebin zu wissen glaubte. Der als wahnsinnig geltende Riesenganter zeugte Unmengen an Nachwuchs. Die Jungen wiederum zogen, sobald sie gehen und eine Waffe halten konnten, ihrem Altvorderen in den Kampf hinterher. Es hieß, dass die Schlacht am Berg erst enden würde, wenn der Hirnbeiß einen Nachfolger gebar, der ihm die Stirn bieten konnte. Doch dann mochte es um den Schlängelpass längst geschehen sein. Schon hatten sich die ewigen Kaltfeuer tief in die Flanken des Gebirgsstockes gefressen. Irgendwann würden Milliarden von Tonnen Geröll losbrechen und das umgebende Land unter sich begraben. Kein Wunder, dass die meisten Anwohner längst weggezogen waren und woanders im Elfenreich ihr Glück suchten.
»Ich bin müde!«, klagte Gwynne ein ums andere Mal oder: »Ich habe Angst!« oder: »Mir ist übel von der Reiterei auf diesem seltsamen Pferd!«
Alebin blieb geduldig. Es gab kein besseres Versuchskaninchen als seine Begleiterin. Wenn
sie
es mit ihrem eingeschränkten Verstand schaffte, in Kortenbrunn zu bestehen – dann, so wusste er, konnte er sich daranmachen, die Armeen für den Sturm auf das Schwebende Schloss aufzustellen.
Abrupt änderte sich die Umgebung, als wären sie über eine unsichtbare Linie geritten. Sie bewegten sich nun durch einen namenlosen Landstrich, den übelst beleumdeten Hinterhof Earrachs.
»Das ist
widerlich!
« Gwynne rümpfte die Nase. »Was ist das für ein ekliges Zeug auf dem Boden?«
»Das
ist
der Boden«, stellte Alebin richtig. Er beugte sich vom Rücken des kurzbeinigen Kuckuckshengstes und schöpfte mit der hohlen Hand ein wenig der breiigen Masse ab. Er hielt sie Gwynne vor die Nase, doch sie wandte sich angewidert ab. »Man sagt, dass unter dem Erdboden seit langer Zeit Tausende von Elfenkriegern begraben liegen, die eine der größten Schlachten der alten Tage verloren haben. Zu Unrecht, sollte ich dazu sagen. Der Sieg wurde ihnen von einem mystischen Gott gestohlen, der die Elfen um das ihnen vorherbestimmte Schicksal betrog. Seitdem warten die Krieger auf Erlösung und darauf, dass sie ins Reich des Grauen Herrn eingehen dürfen. Ihre Gedanken sind so voll Wut und Ärger, dass sie sich seit langer Zeit ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Was ich hier in der Hand halte, ist nichts anderes als fleischgewordener Geist.«
»Bäh! Wirf das weg!« Gwynne schlug Alebins Arm beiseite. »Ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst. Aber ich sage
dir
was: Das Zeug sieht aus wie Scheiße, es riecht wie Scheiße, und wahrscheinlich fühlt es sich auch wie Scheiße an. Also muss es Scheiße sein.«
Alebin lächelte. »Du hast nicht ganz unrecht, meine Hübsche. Es handelt sich um eine Art
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