Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre
einem müden Lächeln und starrte wieder aus dem Fenster.
»Du wirst immer stärker, Thursday.«
»Ich wachse an meinen Gegnern.«
Er lachte höhnisch.
»Ich hätte schon in Styx’ Wohnung auf Nummer sicher gehen sollen.«
»Und sich dadurch den ganzen Spaß verderben? Wenn ich und die anderen SpecOps Ihnen nicht immer wieder die Tour vermasseln würden, wäre Ihr Leben doch todlangweilig.«
Statt mir eine Antwort zu geben, wechselte er das Thema. »Jemand, der so raffiniert ist wie du, wäre nie in dieses Buch gekommen, wenn er nicht auch wüßte, wie er wieder hinauskommt. Sag schon, Thursday. Was habt ihr abgemacht? Ein Codewort, das Mycroft anzeigt, wann er das Tor öffnen soll?«
»So ähnlich. Wenn Sie mir die Gebrauchsanweisung und Polly aushändigen, bekommen Sie einen fairen Prozeß, das verspreche ich Ihnen.«
Hades lachte. »Ich glaube, für einen fairen Prozeß ist es zu spät, Thursday. Ich könnte dich auf der Stelle umbringen, und um ehrlich zu sein, verspüre ich einen nahezu unwiderstehlichen Drang, das zu tun; lediglich die traurige Aussicht, bis in alle Ewigkeit in dieser provinziellen Geschichte gefangen zu sein, hält mich davon ab. Ich wollte nach London, aber das ist unmöglich; die einzigen Städte in dieser Welt sind die Ortschaften, die Charlotte Brontë sich abgedacht hat und die im Roman vorkommen. Gateshead, Lowood – mich wundert, daß dieses Kaff so
groß
ist. Gib mir das Codewort, dann bekommst du die Anleitung und Polly.«
»Nein. Erst geben Sie mir die Gebrauchsanweisung und meine Tante.«
»Siehst du? So kommen wir nicht weiter. Ich nehme an, du möchtest warten, bis sich das Buch neu geschrieben hat, nicht wahr?«
»Natürlich.«
»Dann hast du von mir nichts zu befürchten, bis Jane endgültig aus Thornfield fortgeht. Danach verhandeln wir.«
»Nein, Acheron, ich verhandle nicht.«
Hades schüttelte langsam den Kopf.
»Und ob du verhandeln wirst. Du bist zwar derart anständig und solide, daß einem das Kotzen kommt, aber selbst du wirst schwerlich den Rest deines jämmerlichen Lebens hier verbringen wollen. Du bist doch eine intelligente Frau; dir wird schon was einfallen.«
Ich seufzte und ging; nach dieser Begegnung mit Hades’ finsterer Seele war das geschäftige Treiben der Käufer und Händler eine wahre Wohltat.
33. Das Buch wird geschrieben
Wir saßen im Rauchsalon des Penderyn-Hotels und sahen, daß Thursday ganze Arbeit leistete. Die Geschichte entwickelte sich rasant; ganze Wochen schrumpften auf wenige Zeilen zusammen. Mycroft oder ich lasen den Text, der sich selbst neu schrieb, laut vor.
Wir alle warteten darauf, daß die Worte »süßer Wahn« auftauchten, doch vergeblich. Wir machten uns auf das Schlimmste gefaßt; daß wir Hades vielleicht nie erwischen würden. Daß Thursday als eine Art ewige Hausmeisterin in dem Roman gefangen bleiben könnte.
BOWDEN CABLES Tagebuch eines LitAg
Die Wochen in Thornfield Hall vergingen wie im Flug, und ich verwandte meine ganze Energie darauf, Jane zu beschützen, ohne daß sie etwas davon merkte. Ich postierte einen jungen Burschen vor dem Millcote, der Hades überwachen sollte, aber der begnügte sich damit, jeden Morgen einen Spaziergang zu unternehmen, den örtlichen Arzt um Lektüre anzugehen und sich die Zeit im Wirtshaus zu vertreiben.
Seine Untätigkeit bot einigen Anlaß zur Besorgnis, ich war aber froh, daß er sich vorerst zurückhielt.
Rochester hatte seine Heimkehr brieflich angekündigt, und ihm zu Ehren fand eine kleine Feier im engsten Freundeskreis statt. Das Erscheinen der dusseligen Blanche Ingram setzte Jane ziemlich zu, aber das kümmerte mich wenig. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mit John, dem Gatten der Köchin, die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ich hatte ihm beigebracht, mit Rochesters Pistolen zu schießen, und zu meiner großen Freude erwies er sich als exzellenter Schütze. Ich hatte angenommen, daß Hades sich vielleicht unter die Gäste mischen würde, doch abgesehen vom Erscheinen Mr. Masons von den Westindischen Inseln ereignete sich nichts Außergewöhnliches.
Aus Wochen wurden Monate, und obwohl ich Jane – natürlich absichtlich – nur selten sah, blieb ich mit dem Personal und Mr. Rochester in ständiger Verbindung, um dafür zu sorgen, daß alles glattging. Und wie es schien,
ging
alles glatt. Mr. Mason wurde von seiner irren Schwester im zweiten Stock gebissen; ich stand vor der verschlossenen Tür, während Jane die Wunden versorgte und
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