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Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Titel: Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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verrückt machen.«
    Landen rührte drei Stück Zucker in seinen Kaffee, und ich fragte:
    »Möchtest du, daß wir wieder zusammenkommen?«
    Die Offenheit meiner Frage verblüffte ihn. Er zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, wir waren nie wirklich getrennt.«
    Ich wußte genau, was er meinte. Und spirituell gesehen hatte er durchaus recht.
    »Die Zeit der Entschuldigungen ist vorbei, Thursday. Du hast einen Bruder verloren. Ich ein paar gute Freunde, meine ganze Kompanie und ein Bein. Ich weiß, wieviel Anton dir bedeutet, aber ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er Colonel Frobisher das falsche Tal zeigte, als die Leichte Brigade aufbrach. Es war ein verrückter Tag, und es waren verrückte Umstände, aber so war es nun einmal, und ich mußte sagen, was ich gesehen hatte …!«
    Ich sah ihm fest in die Augen. »Bevor ich auf die Krim ging, dachte ich, der Tod wäre das Schlimmste, was einem Menschen zustoßen kann. Aber bald wurde mir klar, daß der Tod nur der Anfang ist. Anton ist gefallen; damit kann ich leben. In jedem Krieg sterben Menschen; das läßt sich nicht vermeiden. Na gut, es war ein militärisches Debakel von erschreckendem Ausmaß. Auch die kommen vor, von Zeit zu Zeit. Auf der Krim und anderswo.«
    »Thursday!« flehte Landen. »Was ich damals ausgesagt habe, war nichts als die Wahrheit!«
    »Was heißt hier Wahrheit?« fuhr ich ihn wütend an. »Die Wahrheit ist immer das, womit wir am besten leben können. Der Staub, die Hitze, der Lärm! Was auch immer damals passiert ist, die Wahrheit ist, was in den Geschichtsbüchern steht. Das, was
du
vor dem Kriegsgericht ausgesagt hast! Anton hat vielleicht einen Fehler gemacht, aber er war doch nicht der einzige an diesem Tag!«
    »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er auf das falsche Tal gezeigt hat, Thursday.«
    »So ein Fehler wäre ihm nie unterlaufen.«
    Ich verspürte einen Zorn, den ich seit zehn Jahren nicht verspürt hatte. Anton hatte als Sündenbock herhalten müssen, weiter nichts.
    Die hohen Militärs hatten sich wieder einmal aus der Verantwortung gestohlen, und der Name meines Bruders war als der des Mannes, der die Leichte Brigade auf dem Gewissen hatte, ins nationale Gedächtnis und die Geschichtsbücher eingegangen. Sowohl der Befehlshaber als auch Anton waren bei der Schlacht ums Leben gekommen. So war es Landen gewesen, der den Bericht schreiben mußte.
    Ich stand auf.
    »Willst du etwa schon wieder davonlaufen, Thursday?« fragte Landen. »Wie lange eigentlich noch? Ich hatte gehofft, du wärest milder geworden, daß wir vernünftig miteinander umgehen können, daß noch ein Rest Liebe in uns steckt, aus dem sich etwas machen läßt.«
    Ich funkelte ihn wütend an.
    »Und wie steht es mit deiner Loyalität, Landen? Er war immerhin dein bester Freund!«
    »Und ich habe es
trotzdem
gesagt«, seufzte Landen. »Eines Tages wirst du dich damit abfinden müssen, daß Anton Mist gebaut hat. Das kann passieren, Thursday. Das kann passieren.«
    Wir starrten uns an.
    »Werden wir
je
darüber hinwegkommen, Thursday? Ich muß das dringend wissen.«
    »Dringend? Wieso dringend? Nein«, antwortete ich, »nein, nein und nochmals nein. Tut mir leid, daß ich deine Zeit verschwendet habe!«
    Ich rannte aus dem Café, in Tränen aufgelöst und voller Zorn, auf mich selbst, auf Landen und Anton. Ich dachte an Snood und Tamworth. Wir hätten auf Verstärkung warten sollen; Tamworth und ich hatten Mist gebaut, weil wir allein hineingegangen waren, und Snood hatte Mist gebaut, weil er es wider besseres Wissen mit einem Feind aufgenommen hatte, dem er weder physisch noch psychisch gewachsen war. Der Jagdfieber hatte uns gepackt; eine unüberlegte Handlung, wie auch Anton sie begangen hätte. Es war ein Gefühl wie damals auf der Krim, und wie damals haßte ich mich dafür.
    Gegen ein Uhr morgens war ich wieder im Finis. Das John-Milton-Wochenende klang mit einer Disco aus. Als ich in den Fahrstuhl stieg und auf mein Zimmer fuhr, verwandelte sich der Beat in ein angenehm dumpfes Wummern. Ich lehnte mich gegen den Spiegel in der Kabine; das kühle Glas war eine Wohltat. Ich hätte niemals nach Swindon zurückkommen dürfen, soviel stand fest. Ich würde gleich morgen früh mit Victor sprechen und mich dann möglichst rasch versetzen lassen.
    Ich schloß die Zimmertür auf, zog die Schuhe aus und legte mich aufs Bett. Ich starrte an die styroporgeflieste Decke und versuchte, mich damit abzufinden, was ich zwar immer schon vermutet hatte, aber nie

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