Thursday Next 02 - In einem anderen Buch
nur dass ich Landen diesmal zusätzlich bat, er möge bitte, bitte ein Auge auf mich haben, falls er uns gerade zuschaute.
Spike stand auf. »Sind Sie bereit?«
»Allzeit bereit.«
»Dann lassen Sie uns mal etwas Licht in diese Dunkelheit werfen!«
Er zog einen grünen Rucksack und eine Pump-Gun aus dem Kofferraum. Wir marschierten auf das rostige Tor zu, und ich spürte ein Frösteln im Nacken.
»Haben Sie das gespürt?« fragte Spike.
»Ja.«
»Er ist in der Nähe. Wir werden ihn heute treffen, das verspreche ich Ihnen.« Spike drehte den Schlüssel im Schloss, und als er das Tor öffnete, quietschte es in den Angeln. Ehe wir uns in die Sperrzone der Untoten hineinwagten, schloss er sorgfältig hinter uns ab.
»Was ist mit den Bewegungsmeldern?« sagte ich, und im selben Augenblick hörte man in Spikes Auto auch schon einen Signalgeber.
»Lassen Sie's piepsen«, sagte Spike. »Ich bin sowieso fast der Einzige, der sie noch abhört. Helsing weiß allerdings, was wir vorhaben. Wenn was schiefgeht, kommt er morgen früh und räumt die Schweinerei weg.«
»Ach, das ist ja sehr tröstlich.«
»Kein Problem«, erwiderte Spike lächelnd. »Es wird schon nichts schiefgehen.«
Inzwischen waren wir beim zweiten Tor angekommen. Ein herzhafter Leichengeruch stieg mir in die Nase, er wurde durch das Aroma vermoderter Blätter gemildert, war aber doch ganz unverkennbar. Wir betraten die offene Halle, in der früher die Särge abgestellt wurden, und sahen uns um. Der Friedhof war ein einziges Durcheinander. Die Gräber waren sämtlich aufgebrochen, und die Knochen derer, die schon verwest waren, lagen in wirren Haufen zwischen Grabsteinen. Das waren die Toten, die Glück gehabt hatten. Die kürzlich Verstorbenen dagegen waren vom Herrn der Finsternis reklamiert worden und mussten in seiner Sklavenarmee dienen - ein Karriereschritt, den die meisten nur ungern in ihren Lebensläufen erwähnten, soweit sie noch welche hatten.
»Ziemlich chaotischer Haufen«, sagte ich, als wir uns einen Weg durch die zerstreuten Knochen zur Kirchentür bahnten.
»Ich habe ein Gedicht für Cindy geschrieben«, sagte Spike leise und kramte in seiner Tasche. »Würden Sie ihr das bitte geben, falls etwas passiert?«
»Das können Sie ihr selbst geben. Uns wird nichts passieren, das haben Sie selber gesagt. Außerdem will ich so was nicht hören, davon kriegt man Pickel.«
»Okay«, sagte Spike und stopfte sein Gedicht zurück in die Tasche. »Tut mir leid.«
Er holte tief Luft, drückte die eiserne Klinke herunter und stieß die schwere Eichentür auf. Das Innere war keineswegs so stockdunkel, wie ich gedacht hatte, denn das Mondlicht strömte durch die geborstenen Fenster und die Löcher im Dach. Man konnte durchaus etwas sehen. Die Verwüstungen in der Kirche waren mindestens so schlimm wie die auf dem Friedhof. Die Bänke waren zerbrochen, die Kanzel lag in Trümmern am Boden, der Altar war geschändet und die Wände waren mit schrecklichen Zeichen des Bösen beschmiert.
»Ein nettes Zuhause für unseren Fürsten der Finsternis, finden Sie nicht?« sagte Spike und lachte vergnügt. Er schloss die schwere Tür hinter mir, drehte den großen eisernen Schlüssel herum und gab ihn mir zur Aufbewahrung.
Ich blickte mich um, konnte aber niemanden sehen. Die Tür zur Sakristei war geschlossen. Ich warf Spike einen fragenden Blick zu. »Er scheint nicht da zu sein, oder?«
»Oh doch! Er ist bestimmt da, wir müssen ihn nur aus seinem Versteck treiben. Finsternis kann sich in allen möglichen Winkeln verbergen. Wir müssen - rein metaphorisch - nur den richtigen Spürhund finden, der ihn aus seinem Loch jagt.«
»Natürlich. Und wo könnte dieses metaphorische Loch sein?«
Spike sah mich ernst an und zeigte auf seine Schläfe. »Da oben drin steckt er. Er dachte, er könnte mich von innen beherrschen, aber ich habe ihn in meinen Schläfenlappen gesperrt. Er ruft ziemlich böse Erinnerungen hervor. Ich habe einige Möglichkeiten, ihn unter Kontrolle zu halten, aber rauskriegen kann ich ihn leider nicht.«
»So etwas hab ich auch«, sagte ich und dachte daran, wie Hades sich in meine Erinnerungen an Landen gedrängt hatte.
»Ach, wirklich?« Spike warf mir einen fragenden Blick zu, aber als ich keine Erklärungen abgab, sagte er: »Ihn da rauszukriegen, wird nicht so einfach. Ich dachte, hier, auf vertrautem Gelände, kommt er vielleicht von allein raus, aber es scheint nicht zu klappen. Warten Sie, ich will es noch einmal
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