Thursday Next 04 - Es ist was Faul
vereinbart. Wenn das hier ein Roman wäre, müssten Sie jedes Mal, wenn ich auftrete, ein neues Kapitel anfangen.«
»Na, da bin ich aber froh, dass dem nicht so ist«, erwiderte ich. »Wenn meine Mutter da wäre, würde sie einen Herzanfall kriegen.«
»Ach!«, sagte Zhark und sah sich um. »Sie wohnen auch bei Ihrer Mutter?«
»Was ist los? Gibt es Probleme bei Jurisfiktion?«
»Macht mal Pause, Jungs«, sagte Zhark zu seinen Leibwächtern, die mit ausgestreckten Armen in der Küche herumtorkelten, bis sie jeder einen Stuhl gefunden hatten und sich hinsetzen konnten. »Mrs Tiggy-winkle schickt mich«, flüsterte Zhark. »Sie hat bei der Jahresversammlung der Beatrix-Potter-Figuren zu tun, aber sie wollte, dass ich Sie auf den neuesten Stand bringe, was bei uns vorgeht.«
»Ist jemand bei dir, Schatz?«, fragte meine Mutter aus dem Wohnzimmer.
»Nein, nein«, rief ich zurück. »Bloß ein wahnsinniger Massenmörder, der die inter-galaktische Weltherrschaft anstrebt.«
»Das ist ja nett«, rief sie.
Ich wandte mich wieder Zhark zu. »Also? Was gibt's Neues?«
»Max de Winter aus
Rebecca
ist wieder verhaftet worden«, sagte Zhark nachdenklich.
»Ich dachte, Snell hätte dafür gesorgt, dass die Mordanklage fallen gelassen wird?«
»Hat er auch. Jetzt wollen sie ihn wegen Versicherungsbetrug schnappen. Erinnern Sie sich noch an das Boot, in dem er untergegangen ist mit seiner Frau?«
Ich nickte.
»Na ja, wie es scheint, hat er Schadensersatz dafür beantragt, und jetzt denkt das Justizministerium, sie können ihn dafür belangen.«
So etwas kam neuerdings immer häufiger vor. Der GattungsRat hatte Jurisfiktion beauftragt, die Handlung der Romane und Theaterstücke möglichst stabil zu halten. Wenn es die Autoren wollten, blieben Mörder in Freiheit und Tyrannen konnten regieren, so lange sie wollten, und wir hatten dafür zu sorgen, dass sich daran nichts änderte. Kleinere Vergehen, die der lesenden Öffentlichkeit nicht bewusst waren, konnten wir getrost übersehen. In einem Geniestreich der Bürokratie hatte der GattungsRat aber gleichzeitig das Justizministerium autorisiert, jede Rechtsverletzung der Charaktere juristisch zu überprüfen. Max de Winter hatten sie praktisch seit Erscheinen des Buches verfolgt, aber bisher hatten wir immer noch alle Attacken abwehren können. Versicherungsbetrug! Es war wirklich unglaublich.
»Habt ihr den Gryphon in Kenntnis gesetzt?«
»Der arbeitet an Fagins zwanzigstem Gnadengesuch.«
»Er soll sich drum kümmern. Wir können Max de Winter keinem Amateur überlassen. Was ist denn mit Hamlet? Kann ich ihn wieder zurückschicken?«
»Nicht … als … solchen«, sagte Zhark zögernd.
»Er wird allmählich ein bisschen lästig«, musste ich zugeben, »und es besteht die Gefahr, dass er verhaftet wird, weil er aus Dänemark kommt. Ich werde ihn nicht ewig damit beschäftigen können, Mel-Gibson-Videos anzusehen.«
»Könnte Mel Gibson mich vielleicht spielen?«, sagte Zhark sehnsüchtig. »Das wäre schön.«
»Ich fürchte, Bösewichter spielt Gibson nicht«, sagte ich.
»Schade. Ist der Kuchen da übrig?«
»Nehmen Sie sich nur.«
Zhark schnitt sich ein großes Stück Battenberg ab und fuhr fort: »Okay, ich sag's offen: Wir haben die Familie Polonius dazu überredet, dass sie einen Schiedsspruch der Shakespeare-Kommission wegen ihrer nicht-autorisierten
Hamlet
-Neufassung akzeptiert.«
»Wie habt ihr denn das geschafft?«
»Wir haben Ophelia ihr eigenes Stück versprochen.« »Das heißt also, ich kann Hamlet zurückschicken?« »Noch nicht
ganz
«, sagte Zhark und versuchte seine Verlegenheit damit zu überspielen, dass er nach nicht vorhandenen Fusseln auf seinem Satin-Umhang suchte. »Jetzt regt sich Ophelia darüber auf, dass Hamlet mal eine Affäre mit einer gewissen Henna Appleton gehabt haben soll. Sie hat gedroht, sich schon im ersten Akt zu ertränken, statt im vierten. Wir hatten große Mühe, sie zu beruhigen, und während wir damit befasst waren, kam es zu einer feindlichen Übernahme.«
Ich stieß einen lebhaften Fluch aus, und Zhark fuhr erschrocken zusammen. Nie ging irgendwas glatt in der BuchWelt. Fusionen, Übernahmen und Zusammenschlüsse, bei denen ein Buch mit einem anderen verschmolz, um seine Handlungsstränge mit erzählerischer Substanz aufzufüllen, waren zum Glück nicht sehr häufig, aber doch lästig genug. Der berühmteste Zusammenschluss bei Shakespeare war die Verschmelzung von den
Daughters of Lear
und den
Sons of
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