Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
... sie handelt von sich aus? Wie? Warum?«
»Das gehört zu den Dingen, die wir immer noch herausfinden wollen. Es kann verdammt unerforschlich sein, wie allgemein bekannt sein dürfte. Aber alles, was imstande ist, seine Funktion zu erfüllen, muß wohl zwangsläufig eine gewisse Zielstrebigkeit
aufweisen.«
Mond saß ungeduldig daneben und hörte nur mit halbem Ohr zu, da sie nicht einmal die Hälfte verstand. »Woher soll ich wissen, ob ich zurückgehen muß?«
»Du selbst hast den Schlüssel dazu, Sibylle. Laßt mich die Fragen stellen, dann wirst du die Antwort erfahren.«
»Sie meinen ... Nein, das kann ich nicht!« Sie verzog das Gesicht.
Er ließ sich auf die Knie nieder und glättete sein silberweißes Haar. »Dann frage du, und ich werde antworten.
Eingabe ...«
Sein Blick erlosch, während er in Trance verfiel.
Sie schluckte überrascht, sagte dann aber selbstbewußt: »Sag mir, was wird geschehen, wenn ich, Mond Dawntreader, nie mehr nach Tiamat zurückkehre?«
Sie sah, wie seine Augen plötzlich verblüfft blinzelten, wie er sich suchend in dem Raum umsah, dann wieder ihre Gesichter betrachtete, schließlich ihres allein ... »Du, Mond Dawntreader, Sibylle, fragst das? Du bist diejenige. Dieselbe ... und doch nicht dieselbe. Du könntest sie sein, könntest die Königin sein ... Er liebte dich, aber nun liebt er sie, dieselbe und doch nicht dieselbe. Komm zurück – dein Verlust ist eine Wunde, die gesundes Fleisch verpestet ... hier, im Herzen der Stadt, eine unheilbare Wunde ... Die Vergangenheit wird zur immer wiederkehrenden Zukunft, wenn du nicht die Veränderung aufbrichst ...
Keine weitere Analyse!«
Aspundhs Kopf sank erschöpft nach vorne, er mußte sich lange am Tisch festhalten, bevor er wieder aufschauen konnte. »Es schien dort ... Nacht zu sein.« Er trank einen Schluck aus seinem Glas. »Und der Saal war voller fremder Gesichter ... «
Mond griff ebenfalls nach ihrem Glas und trank, um den Griff der unsichtbaren Hand zu lösen, die ihr die Kehle zusammen-preßte.
Er liebte dich, aber nun liebt er sie.
»Was habe ich gesagt?« Aspundh sah sie an, seine Augen waren wieder klar, aber sein Gesicht blaß und ausgezehrt.
Sie erzählte es ihm mit Hilfe der anderen in groben Zügen. »Aber, das verstehe ich nicht ...«
Das verstehe ich nicht! Weshalb liebt er ...
Sie biß sich auf die Lippen. Elseviers Hand berührte die ihre kurz.
»Du könntest Königin sein«, sagte Aspundh. »›Dein Verlust ist eine unheilbare Wunde.‹ Ich glaube, du hattest die wahre Intuition ... deine Rolle in einem großen Spiel ist noch unerfüllt. Ein Ungleichgewicht wurde erschaffen.«
»Aber es ist bereits geschehen«, sagte Elsevier langsam. »Bedeutet das nicht, daß es so geschehen mußte?«
Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich vermag es nicht zu deuten. Ich bin Technokrat, kein Philosoph. Die Interpretation obliegt mir nicht, den Göttern sei dank. Es liegt an Mond, ob es vorüber ist, oder nicht.«
Mond erstarrte. »Sie meinen ... es gibt eine Möglichkeit für mich, nach Tiamat zurückzukehren?«
»Ja, ich glaube schon. Elsevier wird dich hinbringen, wenn es immer noch dein Wunsch ist.«
»Aber Sie sagten doch ...«
»KR, das ist unmöglich!«
»Wenn ihr euch sofort auf den Weg macht und die Adapter benützt, die ich euch liefern werde, dann könnt ihr die Schwarze Pforte noch passieren, bevor Tiamat für lange Zeit abgeschnitten ist.«
»Aber wir haben keinen Astrogator.« Elsevier beugte sich nach vorn. »Cress ist noch nicht kräftig genug.«
»Ihr habt einen Astrogator.« Sein Blick wanderte.
Monds Atem stockte, als sie mit einemmal alle Blicke auf sich gerichtet sah. »Nein!«
»Nein, KR«, sagte Elsevier stirnrunzelnd. »Ihr könnt nicht von ihr verlangen, daß sie das noch einmal durchmacht. Selbst wenn sie wollte, sie könnte es nicht.«
»Sie kann – wenn sie es wirklich will.« Aspundh berührte sein Kleeblatt. »Ich kann dir helfen, Mond, dieses Mal wirst du es nicht unvorbereitet ertragen müssen. Wenn du dein altes Leben wiederhaben willst – und deine Sibyllenfähigkeiten –, dann mußt du es auf dich nehmen. Wir können nicht ständig unseren Ängsten entgegensehen, aber dieser mußt du einfach entgegensehen, wenn du dein Selbstvertrauen wiedergewinnen willst. Sonst wirst du deine wertvolle Gabe nie mehr benützen, du wirst nie mehr dieselbe sein.« Die scharfe Stimme rüttelte sie auf. Er faltete die Hände und legte sie auf den Tisch.
Mond schloß die Augen, und
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