Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Arienrhods Hand, wofür KerlaTinde insgeheim ihr selbst die Schuld gab –, »seit wir uns dem endgültigen Rückzug genähert haben. Wir werden keine Verstärkung mehr bekommen. Und daher werden Sie weiter Streifendienst versehen, bis ich etwas anderes befehle, bis das letzte Schiff bereit ist, den Planeten zu verlassen.«
»Chefinspektor Mantagnes ist nicht ...«
»Mantagnes ist nicht der Kommandant, verdammt nochmal! Das bin ich!« Ihre Stimme entglitt ihrer Kontrolle. »Und mein Wort ist Befehl! Und nun verlassen Sie mein Büro, Kapitän, bevor Sie es als Leutnant verlassen!«
KerlaTinde zog sich zurück, seine olivfarbene Haut wurde vor Zorn noch dunkler. Die Tür schloß sich und trennte sie so von einer weiteren unlösbaren Konfrontation, einem weiteren dummen Fehler.
Kein Wunder, daß sie mich hassen.
Sie starrte durch die Einwegglasscheibe ihres polarisierten Fensters, haßte sich selbst, doch die schimmernde Scheibe war ihr einziger Schirm vor der Strahlung der Feindseligkeit von der Station dahinter. Die Fenster reflektierten ihr Bild unscharf, wie den Geist einer Hologrammtransmission, eine fehlerhafte Rekonstruktion falscher Realität. Es gab keine Jerusha, keine Frau, kein festes Menschenfleisch mehr, nur noch eine zerrüttete, scharfzüngige Hexe mit paranoiden Wahnvorstellungen. Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Es war ihre eigene Schuld, sie wurde mit der Arbeit nicht fertig, sie war ein Versager ... ein zweitrangiges Wesen, schwach, gefühlsduselig, weiblich. Sie lehnte sich im Sessel zurück und betrachtete ihren Körper, die Wahrheit erkennend, die nicht einmal die unförmige Uniform verbergen konnte. Sie konnte nicht einmal den Mut aufbringen und sich eingestehen, daß alles nur ihre Schuld war, und nicht eine an den Haaren herbeigezogene Verschwörung der Königin. Kein Wunder, daß sie der Lachschlager ihrer Leute war.
Und doch hatte sie das Gesicht der Königin bei einem Sommermädchen gesehen. Sie hatte die Wut der Königin beim Verlust dieses Mädchens erkannt. Und schließlich hatte sie auch noch LiouxSked gesehen, der im eigenen Kot umhergekrochen war – aus keinem anderen überzeugenden Grund als Arienrhods Rache. Sie verlor nicht den Verstand! Die Königin trieb sie langsam und systematisch in den Wahnsinn.
Aber sie konnte rein gar nichts dagegen tun. Nichts. Sie hatte alles versucht, aber es gab kein Entkommen – nur die Erkenntnis, daß ihre Karriere, ihre Zukunft, ihr Glaube an die eigenen Fähigkeiten, langsam aber sicher zunichte gemacht wurden. Ihre Karriere wurde zerstört, die Liste ihrer Kommandantur würde eine lange Liste des Versagens und der Fehler werden. Das Ende ihrer Stationierung auf Tiamat würde den Schlußstrich unter all ihre Ambitionen setzen. Arienrhod vernichtete auch sie – nicht schnell, so wie LiouxSked, sondern langsam, auf eine Art und Weise, die es ihr ermöglichte, jede Stufe ihres schmerzlichen Abstiegs genüßlich mitzuverfolgen.
Und was das Beste war, inzwischen mußte Arienrhod erkannt haben, daß sie weitermachen würde, daß sie ihr Schicksal verleugnete – wie sie es ihr Leben lang getan hatte. Denn jetzt alles hinzuschmeißen, ihre Position aufzugeben und Tiamat zu verlassen, wäre das Eingeständnis, daß alles vergeblich gewesen war. Wenn sie alle diese Welt verließen, würde ohnehin alles vergeblich gewesen sein, aber in der Zwischenzeit war sogar diese höllische Charade ihrer Träume noch besser als ein Leben ohne Träume.
Sie konnte es der Königin nicht heimzahlen, bisher hatte sie ihr nicht das Geringste nachweisen können. Sie hatte versehentlich einen Versuch Arienrhods, Winter an der Macht zu halten, vereitelt. Doch die Götter wußten, das hatte ihr nicht einen Augenblick der Befriedigung verschafft – und seither hatte sie keinen Fingerzeig mehr erhalten, was für neue Ränke die Königin in der Zwischenzeit zu schmieden gedachte. Sie zweifelte allerdings keinen Augenblick daran, daß ein neuer Plan existierte – aber sie hatte größte Zweifel, ob die Hegemonie, in ihrer Person, diesmal imstande sein würde, ihn rechtzeitig aufzudecken. Ein Scheitern wäre die Krönung ihres eigenen Versagens.
Aber noch hatte sie Zeit. Das Duell war noch nicht vorüber, sie mußte den Spieß nur umdrehen ... »Hörst du mir zu, Schlampe? Ich krieg dich, beim Bastard Bootsmann, das schwöre ich! Ich werde nicht brechen, du kannst mich nicht vernichten, bevor ... «
Wieder ging die Tür auf und schleuderte ihr die Worte ins
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