Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
Gesicht zurück. Ein Streifenbeamter trat ein, der mit einem raschen Blick erkannte, daß sie allein war. Er legte mit unbehaglichen Seitenblicken einen weiteren Kassettenstapel auf ihren Schreibtisch.
    »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    Er zog sich salutierend zurück.
    Wieder ein Thema für den Klatsch in den Umkleidekabinen.
Ihre Entschlossenheit ließ nach.
Woher willst du es denn wissen? Woher willst du genau wissen, ob du nicht wirklich schon den Verstand verloren hast?
Sie griff am Terminal vorbei nach dem neuen Stapel Unterlagen, doch ihre Hand umklammerte statt dessen ein einzelnes Blatt, das nur halb unter ihnen hervorragte. Sie zog es hervor und las die erste Zeile: LISTE DER MISSTÄNDE UND BESCHWERDEN. Sie zerknüllte das Papier mit der Hand.
Wer hat das hergelegt? Wer?
    Das Interkom begann zu summen. Sie legte den Schalter unsicher um, da sie ihrer Stimme nicht traute.
    »Radiophonruf aus den Außenbezirken, Kommandant. Jemand namens Kennet oder so. Soll ich durchstellen?«
    Ngenet?
Götter, sie konnte jetzt nicht mit ihm reden, so nicht!
Warum,
zum
Teufel, sucht er sich immer den ungünstigsten Zeitpunkt heraus? Warum beschäftigt er mich auch noch?
    »Außerdem ist Inspektor Mantagnes hier, er möchte zu Ihnen.«
    »Stellen Sie den Anruf durch!«
Aber was soll ich ihm sagen? Was?
»Und sagen Sie Mantagnes, er ...« Sie biß die Zähne zusammen, »... er soll warten.«
    Sie hörte einen Sturm statischer Geräusche aus den Lautsprechern, gefolgt von einer vertrauten, wenn auch leicht verzerrten Stimme: »Hallo? Hallo, Jerusha ...«
    »Ja, Miroe!« Sie erinnerte sich mit einer plötzlichen Freude daran, wie schön es war, eine menschliche Stimme zu hören, die sich gerne und freiwillig mit einem unterhielt – und sie erkannte, wieviel ihr seine Freundschaft gab. »Götter, es ist schön, wieder von Ihnen zu hören.« Sie lächelte, tatsächlich, sie lächelte sogar.
    »Können Sie ... verstehen ... lausiger Empfang! Wie würde ... wieder meine Plantage zu besuchen ... Tag oder so? ... lange Zeit seit dem letzten Besuch verstrichen!«
    »Ich kann nicht, Miroe.« Wie lange war es schon her? Monate, seit sie eine seiner Einladungen akzeptiert, sogar mit ihm gesprochen hatte – Monate, seit sie selbstsüchtig einen Tag mit etwas verbracht hatte, das ihr Spaß machte. Sie konnte, sie konnte es sich nicht leisten.
    »Was?«
    »Ich sagte, ich ... ich ...« Sie erblickte ihr Spiegelbild in der Scheibe, das Gesicht einer Eingesperrten, einer Gefangenen in der Zelle. Panik berührte sie mit mahnendem Finger. »Ja! Ja, ich werde kommen! Heute abend!«
     

22
    »Na gut, Wichser. Jetzt seid ihr wieder auf euch gestellt.« Tor wich zurück, hoffte auf anmutige Grazie, hoffte es wider jede Hoffnung. Ungewollt mehr Fleisch enthüllend, als sie eigentlich beabsichtigt hatte, bahnte sie sich einen Weg aus dem düster glühenden Hindernisparcour. Holographische Münzen und ein Sternschnuppenschwarm tanzten in der goldenen Mütze, die ihre mitternachtsschwarze Perücke zierte. Die Draperien ihres Seidenoveralls blitzten im Blauton der Farbe eines Schneidbrenners. Die Hautstellen, die sie unbedeckt ließen, strahlten wie tödliches Lavendel in der Dunkelheit der Nacht.
    Pfeifen und Protestrufe folgten ihr aus der Menge. Sie hatte mit den Patronen gespielt, wie befohlen, und gerade genug gewonnen, beziehungsweise verloren, um alle davon zu überzeugen, daß es mit rechten Dingen zuging.
Wichser.
Bei den meisten Spielen ging tatsächlich alles mit rechten Dingen zu - sehr zu ihrer Überraschung. Sie waren ganz einfach nur so kompliziert, daß ein durchschnittlicher menschlicher Verstand sie unmöglich durchschauen konnte. Wenn sie an die Stunden dachte, während derer sie ihr Geld ebenso sinnlos und ohne Chance auf Gewinn zum Fenster hinausgeworfen hatte, wie diese Burschen jetzt, mußte sie ihren Schopf angewidert schütteln. Jetzt war es natürlich nicht mehr so übel, denn jetzt kannte sie ja die Kodes, die es ihr insgeheim ermöglichten, den Ausgang eines Spiels zu kontrollieren.
    Nein, inzwischen war es überhaupt nicht mehr so übel, ganz und gar nicht: Sie führte ein Kasino und kümmerte sich als Frontfrau um die planetaren Eigeninteressen der Quelle. Sie war die Hostess, die nominale Eigentümerin von Persiponês Hölle, ohne Frage die exquisiteste Spielhölle in Karbunkel. Und insgeheim beteiligte sie sich an den anderen, diskreteren Machenschaften der Quelle, dem Kopf der außenweltlerischen Subkultur des

Weitere Kostenlose Bücher