Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
nacht?«
»Sehr gut, Meister. Am Raumhafen war Zahltag, die Räume sind förmlich überfüllt.«
»War der letzte Handel erfolgreich? Hast du die nötige ... Vielzahl an der Hand, um gewisse Privatkunden zufriedenzustellen?«
»Ja, Coonabarabran war genau dort, wo er Ihren Anweisungen zufolge sein sollte, und er hatte alles bei sich. Heute nacht können wir alle Freuden vermitteln.« Sie war sicher, daß er bereits die Antworten auf alle Fragen kannte, daher antwortete sie immer aufrichtig. Er verlangte nicht von ihr, alle seine Geschäfte zu handhaben – sie verspürte wenig Lust, sich an Drogentransaktionen zu beteiligen, denn damit blieb sie auch vor den Konsequenzen verschont. Die Quelle überblickte und beteiligte sich an mehreren anderen Transaktionen, und darunter waren auch einige, die sie nicht ertragen konnte. Aber es fand sich stets ein anderer, der es konnte.
»Gut ... Ich erwarte heute nacht einen außerordentlich bedeutenden Besucher. Kümmere dich darum, daß das innerste Konferenzzimmer sicher und wohl vorbereitet ist. Sie wird um Mitternacht am Seiteneingang sein. Sieh zu, daß sie nicht warten muß.«
»Ja, Meister.«
Sie?
Es gab nicht viele Frauen in der Gesellschaft der Unterwelt, die anläßlich einer Audienz bei der Quelle mit so erlesener Zuvorkommenheit behandelt wurden.
»Das ist alles, Persiponë. Nun geh zurück zu deinen Gästen.«
»Danke, Meister«, antwortete sie zurückhaltend. Die Tür öffnete sich, sie floh hinaus und blinzelte erneut, als sie im grellen, weißen Licht des Korridors stand. Sie seufzte, während hinter ihr die Tür klickend wieder im Schloß einrastete. Dann ging sie weiter, ganz und gar nicht zornig darüber, daß er sie unattraktiv fand, nur erleichtert. Er lag völlig außerhalb der Skala ihrer Ambitionen, denn im Grunde ihres Herzens fürchtete sie sich außerordentlich vor ihm, und das mit gutem Grund – und auch aus demselben Grund, weshalb sich ein Kind vor der Dunkelheit fürchtet.
Arienrhod folgte dem Umriß von Persiponë durch den Zugang zu den Privaträumen der Quelle. Die Laute aus dem Kasino erreichten sie gedämpft durch die Trennwände, ein tiefes Pochen, das mehr Vibration als Geräusch war, und das wie die Hand des Todes nach ihrer Brust griff. Es war mehr als passend, überlegte sie, daß sich die herzlose Fröhlichkeit der Spieler hier, in den finsteren Hallen der geheimen Macht der Quelle, in ihrer wahren Natur entfaltete. Persiponë blieb vor ihr stehen, direkt vor einer verschlossenen Tür, die sich in nichts von allen anderen unterschied, und verbeugte sich vor ihr. Sie bewegte sich einen Schritt weiter, worauf Persiponë die rechte Hand gegen eine Platte preßte – das Signal ihrer Ankunft, als ob sie nicht ohnehin bereits unter Beobachtung stehen würden! Sie nickte Arienrhod mit selbstbewußter Miene zu und ging weiter den Korridor hinab. Arienrhod war sicher, daß die Frau sie erkannt hatte. Sie wunderte sich einen Augenblick lang darüber, was sie denken würde, wenn sie wüßte, daß Tor Starhiker/Persiponë ihr, der Königin, ebenso wohlbekannt war als Funke Dawntreaders Schachfigur.
Doch die Tür öffnete sich vor ihr zur Dunkelheit, und sie verdrängte alle anderen Gedanken aus ihrem Verstand. Sie stieß die Kapuze ihres schattenfarbenen Mantels zurück und trat entschlossen ein, ohne auf die Aufforderung zu warten. Doch kaum hatte sie die Schwelle überschritten, schloß die Tür sich wieder hinter ihr und hüllte sie in völlige Finsternis. Panik griff mit derben Fingern nach ihr, wie immer in so einem Fall. Plötzlich fiel es ihr schwer, nicht zu glauben, daß sie eine vollkommen andere Ebene betreten hatte, das gnadenlose Unbekannte eines interstellaren Netzes des Verbrechens – herausgelöst aus der Welt, die sie kannte und kontrollierte. Daß sie verloren war ... Ihre mechanischen Spione hatten Einblick in jeden Winkel der Stadt, nur an diesen Ort konnten sie nicht vordringen: Er wurde von einer noch mächtigeren und überlegeneren Technik überwacht ... dieser allumfassenden Dunkelheit, die versuchte, ihren Willen zu brechen und ihr Selbstbewußtsein aufzusaugen. Sie stand stocksteif da, bis der Augen-d dick vorüberging und sie wieder einen Blick für die Perspektive Butte.
Dunkelheit ... das ist ein verdammt guter Trick. Ich wünschte, ich hätte ihn mir ausgedacht.
»Eure Majestät. Ihr erleuchtet meine schäbige Unterkunft.« die ruinierte Stimme der Quelle (wie die einer Leiche, oder war das am Ende auch
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