Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge

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dieser Welt vorhabt. Völkermord ist eine sehr schwerwiegende Anklage – und dann noch gegen das eigene Volk. Aber das kommt davon, wenn man Frauen regieren läßt. Die Hegemonie wird nicht von Frauen regiert. Und es gibt auf unzähligen Welten viele Orte, wo man sogar Eure Arroganz brechen könnte, Arienrhod.«
    Angesichts des unerwarteten Ausmaßes seines Hasses, ballte Arienrhod die Hände zu Fäusten. Er erstrahlte wie ein grellweißer Blitz der Verdammnis in der undurchdringlichen Finsternis. Sie nahm einen merkwürdigen Geruch wahr, den nicht einmal mehr das schwere Aroma des Weihrauchs maskieren konnte .. . einen Geruch von Krankheit und Verwesung.
Aber es stört ihn nicht!
»Drohen Sie mir nicht, Thanin Jaakola. Sie mögen wohl auf Big Blue ein Sklavenaufseher gewesen sein und Unglück über mindestens sieben weitere Welten gebracht haben«, um das Verständnis ihres geheimen Wissens zu erhärten. »Aber bis zur Veränderung ist dies hier noch
meine
Welt, Jakoola, und Sie können hier nur existieren, weil ich es Ihnen erlaube. Was mir geschieht, wird seinen vollen Niederschlag auch bei Ihnen finden, denn wenn mir tatsächlich etwas zustoßen sollte, so verlieren Sie Ihren rechtlichen Schutz. Ich bin sicher, daß es viele Orte gibt, die auch Sie niemals kennenlernen wollen.«
Und ich bin sicher, das wirst du nicht so schnell vergessen.
»Was ich von Ihnen verlange, ist risikoreich, zugegeben, aber auch sehr einfach. Ich bin sicher, Sie können das mit Leichtigkeit arrangieren, wenn Sie die nötigen Mittel bekommen. Ich werde Ihnen den ganzen Ertrag von Starbucks letzter Jagd geben – und das ist bei weitem mehr als das Freikaufen einer Königin kosten würde.«
    Die Dunkelheit verstärkte das Geräusch seiner Atemzüge, und sein Schweigen. Arienrhod hielt den Atem an. Schließlich bemerkte sie, wie er leicht den Kopf senkte, dann sagte er: »Ja, ich werde zum genannten Preis meinen Teil der Abmachung erfüllen. Ich werde den Gedanken an Eure Regentschaft über Tiamat genießen, nachdem wir uns zurückgezogen haben, ohne das Wasser des Lebens, um Eure Jugend zu erhalten. Wenn wir weg sind, wird Karbunkel ... es wird nicht mehr derselbe Ort sein, das wißt Ihr. Ganz bestimmt nicht.« Sein Lachen klang wie blubbernder Teer.
    Arienrhod erhob sich ohne weiteren Kommentar, und erst als sie ihm den Rücken zugekehrt hatte und zur Tür ging, erlaubte sie sich ein Stirnrunzeln.

    »Wohin, zum Teufel, gehst du?«
    Tor blieb schuldbewußt stehen, als sie die Stimme von weiter hinten im Korridor hörte – Hernes Stimme. Sie war gerade an dem Raum vorübergegangen, den sie hier im Kasino für ihn hergerichtet hatte. Die meisten der anderen Räume hier im Korridor wurden von den Prostituierten und ihren Kunden benützt. Doch irgendwo draußen, in der Außenwelt, dämmerte bereits ein neuer Tag, und die Säle waren verlassen. Für eine kurze Zeitspanne der Erholung und Ruhe war das Kasino geschlossen.
    Tor wandte sich mit berechnender Langsamkeit um und musterte ihn. Er hatte sich gegen den Türrahmen gelehnt, seine nutzlosen Beine steckten in dem unbeholfenen, klobigen künstlichen Exoskelett, das es ihm ermöglichte, hin und wieder zu gehen. Eine kurze, achtlos über den Kopf geworfene Robe verhüllte gerade noch sein Geschlecht. Sie runzelte die Stirn. »Ich habe eine wichtige Verabredung. Was willst du, Schlappschwanz?«
    »In den Klamotten?«
    Sie betrachtete ihren Overall, sah ihr Gesicht, das im Spiegel der Erinnerung die aufgemalte Person abgestreift hatte – ihr ureigenstes, mattes, schlichtes Selbst, das es satt hatte, vorzugeben, jemand anders zu sein, froh, nur ihr eigenes, glanzloses Haar unter der goldenen Mütze hervorquellen zu sehen. »Warum nicht?«
    »Nur du konntest so eine Frage stellen.« Er schnob verächtlich und zupfte an seiner Robe. Seine Augen waren blutunterlaufen, sein Blick stier vor Müdigkeit, oder Drogen. Oder beidem.
    »Wenn ich mich kleiden würde, um dich aufzureizen, so wäre das kaum der Mühe wert.« Zufrieden stellte sie fest, wie er die Lippen aufeinanderpreßte. Die Zeit hatte sie nicht ihm ähnlich gemacht.
Und das wird sie auch nie.
Sie hatte eine Verabredung mit Funke Dawntreader, kein Rendezvous mit einem Liebhaber. Die Zeit hatte sie auch ihm nicht ähnlicher gemacht, noch weniger wie Herne. Es war schwer sich vorzustellen, daß er einmal das Verängstigte Sommerbürschchen gewesen war, das sie zusammengekauert in einer Allee gefunden hatte. Nach außen hin hatte sie