Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
...« Seine Stimme brach. »Wie lange ... wie lange warst du auf Kharemough?«
»Fast einen Monat.« Sie schob ein weiteres Stück Dörrfleisch in den Mund, ließ den Geschmack auf sich einwirken und löste damit den plötzlichen Krampf in ihrer Kehle. »Aber – ich hätte länger bleiben dürfen, vielleicht mein ganzes Leben lang. Wenn die Umstände anders gewesen wären.«
»Dann hat es dir dort gefallen?« Er sprach nun nicht mehr voller Sarkasmus, nur noch voller Hunger. »Wo warst du? Was hast du gesehen?«
»Hauptsächlich den Diebsmarkt. Und die Raumhafenstadt.« Sie setzte sich mit überkreuzten Beinen hin, zog die Beine zurecht und bemühte sich, nur an die schönen Tage ihres Aufenthalts zu denken die Elsevier und Silky und Cress mit ihr gemeinsam verbracht hatten, an ihre Reise zur Oberfläche und an die ornamentalen Gärten KR Aspundhs ... »Und wir tranken
Lith
und aßen kandierte Früchte ... Oh, und auf dem Bildschirm wurden wir Zeuge, wie Singalu zum Tech erhoben wurde.«
»Was?« Gundhalinu hatte sich an die Wand gelehnt und keuchte vor Entzücken. Sie bemerkte, daß ihm ein Zahn fehlte. »Ihr Götter, das kann ich nicht glauben! Der alte Singalu? Das hast du dir doch nur ausgedacht, oder?« Lachen war die beste Medizin.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich. Es war ein Unfall. Aber sogar KR hat sich gefreut.« Sie erinnerte sich an Elseviers Tränen, an ihre eigenen ... Plötzlich stiegen wieder Tränen in ihr auf, aber dieses Mal waren es Tränen des Kummers.
»Bei KR Aspundh reingeschaut. « Er schüttelte den Kopf und rieb sich, immer noch grinsend, die Augen. »Nicht einmal mein Vater wagte es, einfach so bei KR Aspundh reinzuschauen! Aber weiter, was dann?«
Mond schluckte. »Wir ... wir redeten. Er bat mich, ein paar Tage zu bleiben. Er ist ein Sibyl, weißt du ...« Sie verstummte.
»Ich weiß auch, daß du mir vieles verschweigst«, sagte Gundhalinu leise. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will es gar nicht wissen. Ich will nicht einmal wissen, warum KR Aspundh sich mit Techschmugglern abgibt und sie zum Tee bittet. Aber du hättest dort alles haben können, was du dir je erträumt hast – ein Leben, wie du es hier niemals haben kannst. Warum . . ., warum hast du alles abgewiesen, und das Risiko der Rückkehr auf dich genommen? Ich kann in deinen Augen lesen, daß du dir wünschst, es nicht getan zu haben.«
»Ich glaubte, ich müßte zurückkehren.« Sie spürte, wie ihre abgebrochenen Nägel sich in ihre Handballen gruben. »Ich wollte diese Welt niemals verlassen. Ich ging nach Karbunkel, um meinen Vetter zu finden ... Aber als ich in Shotover Bay ankam, traf ich Elsevier, und dann versuchten die Blauen, uns festzunehmen ...«
»Shotover Bay?« Plötzlich bekam sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck. »Wie klein doch das Universum ist. Kein Wunder meine ich immer ... ich hätte dein Gesicht schon einmal gesehen.«
Sie beugte sich erstaunt lächelnd nach vorn und betrachtete sein Gesicht eingehender. »Nein – ich glaube, ich war zu sehr mit Weglaufen beschäftigt.«
Er verzog den Mund. »Niemand hat je gesagt, ich hätte ein bemerkenswertes Gesicht. Du warst also unterwegs nach Karbunkel. Aber nach fünf Jahren willst du immer noch dorthin? Was auch immer deinem Vetter zugestoßen sein mag, das gehört längst der Geschichte an.«
»Ist es nicht«, Sie schüttelte den Kopf. »Während ich auf Kharemough war, befragte ich den Transfer, und mir wurde gesagt, daß es noch nicht vorüber ist.« Die kalte Stille der Leere wurde plötzlich in ihr laut und nahm ihr den Atem. »Aber seit ich zurückgekommen bin, habe ich jeden vernichtet, der sich mit mir eingelassen hat ...« Sie sank vornüber und verbarg das Gesicht.
»Du? Ich ... verstehe nicht.«
»Weil ich zurückkam!« Widerstrebend kamen ihr die Worte über die Lippen, mit jedem einzelnen zeigte sie ihm, was sie war und wie sie schließlich und endlich hierher gekommen war .. . »Ich bin schuld daran! Nur meinetwegen haben sie das getan, ich bin an allem schuld. Ich bin wie ein Fluch. Nichts von dem wäre ohne mich geschehen, nichts!«
»Du hättest es nur nicht gesehen, das ist alles. Niemand regiert das Schicksal eines anderen – wir können ja nicht einmal unser eigenes kontrollieren.« Sie spürte seine zögernde Hand auf ihrer Schulter. »Wir wären keine Gefangenen hier und ich wahrscheinlich schon nicht mehr am Leben. Du darfst dir wegen des Geschehenen keine Vorwürfe machen. Oder nicht?«
Sie hob
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