Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
denen.« Mond wandte den Blick von dem Jungen, dessen Gesicht rosa und weiß und so perfekt wie das eines Porzellanfigürchen war.
»Dann wirst du tun, was du gestern auch schon getan hast, aber diesmal wirst du mir von den Tieren erzählen.« Sie sah auf, als erwartete sie eine Weigerung. »Ich glaube – einige von ihnen sind auch krank. Ich ... ich weiß nicht, wie ich mich am besten um sie kümmern kann.« Sie senkte den Blick. »Ich möchte es aber gerne wissen. «
Mond nickte und schluckte den Rest ihres Essens hinunter und erhob sich langsam. »Woher hast du diese Tiere?«
»Vom Raumhafen gestohlen. Oder von Händlern ... oder mit Fallen gefangen – den Elffuchs, die grauen Vögel dort, und die Conies. Aber von den anderen weiß ich nicht einmal die Namen.«
Mond spürte Gundhalinus Blick, der sie finster und anklagend musterte, ignorierte ihn aber und ging zum nächsten Käfig, wo eines der unansehnlichsten Tiere wartete – ein zitternder Sack, der ganz aus Runzeln zu bestehen schien und auf einem Nest aus trockenem Gras lag. Es blubberte obszön und zeigte ihr ein riesiges Maul, als sie die Käfigtür öffnete. Sie unterdrückte ihren Abscheu, kauerte sich nieder und bot ihm mit der ausgestreckten Hand ein paar Futterkrümel an.
Schließlich erstarb seine rasende Hysterie, dann, nach einem weiteren, endlosen Augenblick, kam es Zentimeter um Zentimeter näher. Sie zitterte, da wich es wieder zurück, kam erneut näher und holte die Krümel mit offensichtlicher Wonne einzeln von ihrer Hand. Schließlich wagte sie es, das Tier mit ihrer freien Hand zu streicheln, seine hirnähnlichen Windungen fühlten sich kalt und glatt unter ihrer Hand an, wie die Oberfläche eines Samtkissens. Das Wesen räkelte sich wohlig unter ihrer Hand und gab blubbernde Laute von sich.
Sie zog sich zurück und ging zu den beiden geschmeidigen, ruhelosen Fleischfressern im nächsten Käfig. Sie legten die Ohren an, und ihre Fangzähne hoben sich weiß gegen ihr schwarzes Fell ab. Sie hatten etwas katzenartiges an sich, deshalb begann sie leise zu pfeifen, Obertöne erzeugend, bei denen die Katzen ihrer Heimat schnurrend in ihren Schoß gekrochen waren. Die langen, pelzigen Ohren bebten, wurden aufgerichtet und wie Radarantennen hierhin und dorthin gerichtet ... dann kamen die Tiere fast widerwillig auf sie zu, angezogen von den Geräuschen. Sie hielt ihnen die Finger hin, damit sie daran schnüffeln konnten, erschauerte freudig, als ebenholzfarbene Köpfe sich akzeptierend an ihren Händen rieben. Die Katzengeschöpfe streiften an den Stangen des Käfigs entlang und genossen ihre Zärtlichkeiten mit gutturalen Lauten.
Nun ging sie schon wesentlich zuversichtlich weiter, bis sie zu einem Reptil mit lederartigen Flügeln gelangte, dessen Kopf an einen Eispickel erinnerte, zu flaumigen Rechtecken, die überhaupt keine Köpfe hatten, zu einem Vogel mit smaragdfarbenem Gefieder und einem rubinroten Kamm, der teilnahmslos in seinem Käfig lag. Sie verlor jedes Zeitgefühl vor der Notwendigkeit, mit dem kleinsten Geschöpf kommunizieren zu können, um dann mit dessen embryonischem Vertrauen belohnt zu werden – bis sie endlich das Ende des Kreises erreichte, wo der kleine Junge schlafend in Blodweds Schoß lag, die sie neiderfüllt anstarrte.
Mond wandte sich ab, denn nach einem kurzen Augenblick der Empathie verstand sie den Blick völlig. »Ich bin bereit für den Transfer, Blodwed, wann immer du willst.«
» Wie hast du das gemacht?« Blodweds Worte knallten wie Peitschenschläge auf sie herab. »Warum kommen sie zu dir und nicht zu mir? Es sind
meine
Tiere!
Mich
sollen sie lieben!« Der Junge erwachte durch ihre zornigen Worte und begann zu greinen.
»Sollte doch eigentlich offensichtlich sein«, sagte Gundhalinu sarkastisch. »Sie behandelt Tiere wie menschliche Wesen, während du menschliche Wesen wie Tiere behandelst.«
Blodwed schoß wütend in die Höhe, und Gundhalinu erstarrte, doch sie sagte keinen Ton, und sie hob auch nicht die Faust, deren Knöchel weiß hervortraten, um ihn zu schlagen.
»Blodwed ... sie haben Angst vor dir. Weil ... « Mond bemühte sich, Worte zu finden, die ihren Gedanken entsprachen. »Weil du vor ihnen Angst hast.«
»Ich habe keine Angst vor ihnen! Du hattest doch Angst.«
Mond schüttelte den Kopf. »Aber nicht so. Ich habe ... habe keine Angst davor, ihnen zu zeigen, daß sie mir am Herzen liegen.« Sie spielte mit den Borten.
Blodweds Mund zuckte, ihr Stirnrunzeln verschwand. »Aber
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