Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
auf.
Sie bedeutete ihm, sich zu erheben. »Wo ist Starbuck, Funke?«
Er keuchte, fing sich aber rechtzeitig wieder. »Ich ... äh, ich weiß nicht, Eure Majestät. Er verließ den Palast. Er sagte mir nicht, wann er wieder zurück sein würde.« Er bedachte sie mit einem verhohlenen, spöttischen Lächeln und wartete neugierig. »Er redet nicht mit mir.«
»Kommandant PalaThion ist gekommen, um ihn wegen Mordes anzuklagen.«
»Wegen Mordes?« Funke wandte sich an PalaThion.
PalaThion funkelte ihn mit giftigem Blick an, der sich auch nicht änderte, als sie wieder zur Königin aufsah. »Wie geschickt er doch den Zeitpunkt gewählt hat.«
»Bitte, Kommandant«, zischte sie wütend. »Ich kann nicht Gedanken lesen. Und ich dulde keine Mörder unter meinen Untergebenen.« PalaThions Ausdruck zeigte, daß sie weder vom einen, noch vom anderen überrascht wäre. »Ich möchte gern mehr darüber erfahren. Sie sagten, Sie hätten die Leichen selbst gesehen. Wessen Leichen?«
»Ich sah eine Leiche – wenn man die toten Mers nicht hinzuzählt.« PalaThion schluckte, als würde es ihr mehr als nur eine unangenehme Erinnerung bedeuten. Funke spielte mit den Achaten an den Enden seines Gürtels. Er hieb sie wie eine Peitsche gegen seine Schenkel und verzog bei jedem Schlag das Gesicht. »Es war die Leiche eines Dillyp.«
»Ein Hund also!« Sie konnte nicht verhindern, daß sich Verachtung in ihre Erleichterung mischte.
»Nein, Eure Majestät.« Eiskalt. »Ein Dillyp. Ein freier Bürger der Hegemonie, ein Gast des Bürgers Ngenet. Er ist erstochen worden. Ngenet zufolge fehlt ein weiterer Gast, ein Mädchen. Vermutlich wurde auch sie ermordet. Es war eine Bürgerin dieser Welt, eine Sommerfrau namens Mond Dawntreader. Die Merkörper wurden geschändet.« Sie ließ es so häßlich klingen, wie sie nur konnte.
»Geschändet?« fragte Funke zu laut.
Arienrhod spürte den Suchscheinwerfer von PalaThions Blick auf sich, als sie den Namen Monds aussprach.
Sie ahnt etwas.
Doch sie war auf diese Situation vorbereitet, und daher veränderte sich ihre gespielte Gleichgültigkeit nicht. »Der Name ist mir vertraut ... Ist sie eine Verwandte von dir, Funke?«
»Ja, Eure Majestät.« Er umklammerte mit einer Hand das Handgelenk der anderen. Arienrhod sah, wie er die Nägel in sein Fleisch grub. »Wenn Ihr Euch erinnern wollt ... sie war meine Cousine.«
»Meine aufrichtige Teilnahme.« Ihre Stimme war, bar jeder Wärme.
PalaThion betrachtete sie mit einem Ausdruck, der weder ganz Abscheu, noch ganz Verwirrung war, aber Spuren von beidem enthielt. »Sie war eine illegal Zurückgekehrte. Sie verschwand vor etwa fünf Jahren.« Etwas knirschte.
»Ich glaube, ich erinnere mich an den Vorfall.«
Und ich dachte, das wäre das Ende von allem, aber das war es nicht.
»Was meinten Sie damit, die Mers wurden geschändet?« fragte Funke wieder. »Wie geschändet?«
»Ich habe Filme darüber im Hauptquartier, wenn Ihnen so etwas gefällt, Dawntreader. «
»Verdammt, ich meinte nicht ... Ich will wissen, was mit Mond geschehen ist!«
»Funke.« Arienrhod beugte sich warnend vor und sagte leise: »Es war seine Cousine, Kommandant. Natürlich macht er sich Sorgen.«
Der Teufel soll ihn holen!
Sie sah, wie sehr er sich Sorgen machte.
»Man hat sie – gehäutet, Eure Majestät.« PalaThion runzelte erwartungsvoll die Stirn.
»Gehäutet?« Sie sah vollkommen ungläubig zu Funke, sah auch in seinen Augen Unglauben. »So etwas hätte Starbuck nie getan. Warum sollte er?«
»Ihr solltet doch seine Gründe besser kennen, schließlich ist er Euer Mann.« PalaThion spielte mit ihrem Waffengürtel, ihr ganzes Verhalten grenzte an Arroganz. »Wer sonst könnte die Möglichkeit haben, so viele Mers gleichzeitig zu ertränken?«
Das gefällt mir gar nicht. Ich durchschaue das nicht ganz.
Arienrhod fuhr den transparenten Verzierungen der Armlehne ihres Throns nach. »Frei heraus, Kommandant! Selbst wenn er das getan hat, ich verstehe nicht, weswegen Sie einen solchen Eifer an den Tag legen. Wenn die Veränderung kommt, wird er ohnehin sterben.« Sie hob in fatalistischer Hingabe die Schultern und lächelte spöttisch.
»Darauf kann sich das Gesetz nicht verlassen, Eure Majestät.« PalaThion sah sie durchdringend an. »Und überdies wäre das zu gering für ihn.«
Funke wandte sich um, hielt sich dann aber zurück und fuhr mit der Hand durchs Haar.
Arienrhod spürte, wie das Blut in ihren Ohren unerwartet zu dröhnen begann. »Sprechen Sie
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