Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Hand zu befreien, die aus maschinengewebtem Stoff hervorragte. Im Dämmerlicht konnte er die drei anderen erkennen, war aber nicht sicher, ob ihre Münder, hinter denen er weiße Zähne sah, zu jagdlustigem Grinsen verzogen waren. Deutlich aber erkannte er den metallenen Schimmer von etwas Tödlichem, das einer in Händen hielt. Während der Würgegriff um seine Kehle sich verstärkte, spürte er immer mehr Hände, die nach ihm griffen, und sah Handschellen.
Er warf den Kopf zurück und spürte, wie er dem Mann hinter ich ins Gesicht stieß. Er hörte einen Schmerzenslaut, dann setzte er zusätzlich noch Ellbogen und Stiefel ein. Der Mann fiel unverständlicherweise fluchend hin, während Funke den Mund aufriß, um nach Hilfe zu brüllen.
Doch der Schatten mit der Waffe war schneller. Aus Funkes Schrei wurde ein Stöhnen, als schwarzes Licht ihn umhüllte. Er stürzte kopfüber aufs Gesicht, wie eine Marionette, deren Schnur man durchtrennt hat, und konnte nicht verhindern, daß er mit dem Kopf hart auf dem Pflaster aufschlug. Aber er fühlte keinen Schmerz, nur den dumpfen Stoß und das trockene Rasseln tausender Synapsen, die mit einem Körper verbunden waren, der nicht reagieren konnte. Ein Stahlband wurde um seinen Hals geschlungen, er hörte das häßliche Geräusch des eigenen Gewürgtwerdens.
Ein Fuß trat nach ihm. Die schattenhaften Männer umringten ihn und sahen herab, dieses Mal konnte er ihr Grinsen deutlich sehen, als sie das Entsetzen in seinem Gesicht erkannten.
»Wie sehr hast du ihn denn erwischt, sag mal? Sieht aus, als kriegt er keine Luft mehr.«
»Soll er doch, der elende kleine Bastard. Ein Gehirnschaden wird seinen Preis außerhalb kaum herabsetzen.« Der Mann, den er im Gesicht getroffen hatte, wischte sich Blut von der Lippe. »Ja, ist sogar ein hübscher Knabe, was? Nich' nur so'n alter Bock, nein Sör. Auf Tsieh-pun werden wir eine Menge für ihn bekommen.« Gelächter, ein Stiefel traf seinen Magen. »Immer schön weiteratmen, Bürschchen. So ist das Leben.«
Einer von ihnen beugte sich herab und fesselte seine nutzlosen Hände mit Handschellen. Der Mann mit dem blutigen Gesicht ließ sich ebenfalls niedersinken und holte einen flachen Gegenstand aus der Tasche, an dessen Basis er einen Schalter umlegte. Eine blendende Lichtklinge von der Länge einer Männerhand flammte auf, während die Finger seiner anderen Hand nach Funkes Mund tasteten und seine Zunge herauszogen. »Letzte Worte, schöner Knabe?«
Helft mir!
Doch sein Schrei war lautlos.
5
»Ihr Götter, wie ich diese Pflicht hasse!« Polizeiinspektor Geia Jerusha PalaThion befreite ihre scharlachrote Robe mit einem Ruck aus dem Türschloß des Fahrzeugs. Der Wagen, der auf Luftkissen im Palasthof am obersten Ende der Karbunkelstraße schwebte, erzitterte sanft.
Ihr Sergeant sah sie an, ein ironisches Lächeln zerknitterte das ansonsten makellose, ebenmäßige Gesicht. »Sie meinen, es bereitet Ihnen kein Vergnügen, königliche Hoheiten zu besuchen, Inspektor?« fragte er unschuldig.
»Sie wissen, was ich meine, Gundhalinu.« Sie schlang den Mantel rasch über eine Schulter, um damit das einförmige Blau der Uniform darunter zu verbergen. Eine Brosche mit dem Siegel der Hegemonie hielt ihn zusammen. Ich meine, BZ« – sie gestikulierte – »daß ich mich wie zu einem Kostümball maskieren muß, um ›Des Raumfahrers Bürde‹ mit der Schneekönigin zu spielen.«
Gundhalinu pochte gegen den Schirm seines Helms. Ihr Helm war goldfarben angesprüht worden, seiner war immer noch weiß, außerdem trug Gundhalinu keinen Mantel. »Sie sollten froh sein, daß Ihnen der Kommandant nicht noch eine Topfpflanze aufsetzt, damit Sie eindrucksvoller aussehen, Inspektor ... Sie müssen schließlich schon nach etwas aussehen, wenn Sie diesen Mutteranbetern die universellen Gesetze verklausulieren, nicht wahr?«
»Nun gut.« Sie gingen auf die gewaltigen Türflügel des zeremoniellen Eingangs zu. Der Steinboden war mit spiralförmigen Einlegemustern verziert. Am anderen Ende schrubbten zwei Winterdiener den Stein mit langstieligen Bürsten. Sie waren immer hier draußen und schrubbten, um ihn makellos zu halten.
Alabaster?
fragte sie sich, blickte hinab und dachte an Sand und Wärme und Himmel. Hier gab es nichts davon, nirgends in diesem kalten, verschlungenen Steinklotz von einer Stadt. Dieser Hof markierte den Beginn der Straße und den Beginn der Welt, den Beginn jeden Dinges in Karbunkel.
Oder das Ende.
Sie sah den kalten Himmel
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