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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Ekstase der wartenden Menge verschluckt und freudig mit Schulterklopfen, Küssen und Tränen empfangen. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge hindurch und nahm ihren Platz unter den Siegerinnen ein, die sich im Zentrum des Hofes formierten. Sie erblickte hinter sich die weißgekleideten Musiker, noch bevor sie sie hörte. Sie trugen Bänder, wie sie auch, dazu schwarze Zylinderhüte mit Wintertotems. Dahinter folgte eine kleine Prozession von Sommern – weitere Goodventures, die einen Baldachin aus Netz trugen, in das Muscheln und grüne Ornamente eingeflochten waren, und das von Stangen hochgehalten wurde, in die phantastische Meeresgeschöpfe eingeschnitzt waren.
    Und unter diesem Baldachin befand sich die Maske der Sommerkönigin. Sie hörte Seufzer und bewundernde Rufe wie einen Windstoß durch die Menge fegen, auch sie war ganz von dem wunderschönen Anblick gefesselt–
und von der Macht, das Gesicht der Veränderung.
Ihr Blick glitt zu der Trägerin, und sie zuckte zusammen, als sie sie erkannte: Fate Ravenglass. Der Kreis öffnete sich, um Fate allein durchzulassen, während der Rest weiterzog, bis die Musik im Lärm der Menge unterging.
    Die Älteste der Goodventures verbeugte sich vor ihr, vielleicht aber auch nur vor ihrer künstlerischen Meisterleistung. »Winter krönt Sommer, und die Veränderung beginnt. Möge die Herrin dir helfen, eine weise Wahl zu treffen, Winterfrau, um deinet- und um unseretwillen.« Ihr Glaube an die Urteilsfähigkeit der Herrin schien unerschütterlich.
    »Ich bete darum.« Fate verbeugte sich ebenfalls, ihr weißes Gewand war fast ganz hinter der Maske verborgen, die sie auf den Armen trug.
    Die Herrin wird wählen ...
Warum aber war Fate Ravenglass zu Ihrer Repräsentantin gewählt worden, wenn nicht, um umgekehrt das Gesicht zu wählen, das Herz und den Verstand, die, das wußte auch sie, die Geheimnisse um diese Welt kannten?
Aber sie ist fast blind.
Wie sollte sie ein Gesicht vom anderen unterscheiden können? Woher sollte sie es wissen?
    Die Älteste der Goodventures trat von einem Fuß auf den anderen, der Perlenschmuck, der über ihrem Kleid hing, klapperte und klirrte. Sie stimmte den uralten Festtagsgesang an, während der Reigen der Frauen sich langsam, mit den Füßen aufstampfend, in Bewegung setzte. Die Worte und die Antworten der Litanei kamen ihr ohne Schwierigkeiten ins Bewußtsein, da sie tief in ihrer Erinnerung verankert waren, tiefer als alles andere, mit seinen eindringlichen, primitiven Bildern. Wie die meisten der heiligen Lieder hatte er keinen festen Rhythmus, denn die Sprache, aus der die Worte geformt waren, hatte im Laufe der Jahre ihre Form verloren, daher klangen die Melodien seltsam in ihren Ohren. Sie sang mit den anderen, doch ein Teil ihres Verstandes schien abgesondert und betrachtete den Festzug, an dem der Rest von ihr sich unbewußt beteiligte. Das war der Teil, der nicht mehr länger sicher war, daß Fate sie blind und ohne Unterstützung auswählen würde.
Kontrolliert die Sibyllenmaschinerie wirklich, was hier vorgeht? Sie führt mich in ihre Richtung, aber kann sie über mich hinausgreifen, kann sie etwas beeinflussen, das, sie nicht fest in der Hand hat?
    »... Wer nährt uns an Ihrem Busen Und wird zu unserem Grab?«
»Die Herrin gibt uns, was wir brauchen.
Wir geben ihr, was wir können.«
    Mond sah, wie Fate, die die Maske trug, entgegen den Frauen zu schreiten begann, ihre Miene war angespannt aber formlos.
Sie wird mich nicht erkennen.
    »Wer füllt unsere Netze, unsere Teiche und Mägen, Wer unsere Herzen mit Kummer?«
»Die Herrin gibt uns, was wir brauchen,
Und fordert alles, was wir haben.«
    Mond biß sich auf die Lippen, um Panik niederzukämpfen, um des Wunsches Herr zu werden, laut loszubrüllen.
Hier bin ich!
Sie wollte an die Macht der Vorsehung glauben, war aber nicht mehr sicher, ob sich irgend etwas vorhersehen ließ. Aber sie durfte nichts dem Zufall überlassen – wo sie von so weit hergekommen war und so viel gesehen hatte.
Sie muß mich auswählen. Aber wie ...?
    »Wessen Segen bringt den Himmel zum Weinen, Wessen Fluch vermengt Wasser und Luft?«
»Die Herrin gibt uns, was wir brauchen,
Und macht uns zu dem, was wir sind.«
    Monds Erinnerung sprang schon zur nächsten Strophe, und dann verschmolzen die beiden Ebenen ihres Unterbewußtseins:
»Eingabe!«
    »Wer weiß, wen Sie erwählen wird, Und was Ihr Schicksal bringt?
    Der Refrain wurde unhörbar, während sie in den Transfer sank, dann, als sie wieder

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