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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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sich zweifelnd um. Sie war die einzige Sibylle, die sie hier gesehen hatte. War sie wirklich die einzige Sibylle unter allen Sommerfrauen, die Königin werden wollten? Waren es wirklich die Ambitionen des Blutes der Königin in ihr, die sie zu dem Versuch verleiteten, selbst Königin zu werden?
Nein, ich wollte das nicht! Es muß eine Veränderung eintreten, ich bin nur die Vermittlerin.
Sie ballte die Hände zu Fäusten, während sie das Gelübde wiederholte. Wenn sich keine andere Sibylle zu diesem Rennen gestellt hatte, dann lag es wahrscheinlich nur daran, daß keine andere die Wahrheit kannte.
    Keine weiß es.
Sie konnte das ganze Spektrum an Motiven, Ambitionen und Wünschen an den Gesichtern ablesen, das die Läuferinnen hierher gezogen hatte: manche waren einfach nur machthungrig (obwohl die Macht der Sommerkönigin eher rituell als reell war), manchen ging es um die Ehre, manchen auch nur um das flotte Leben, das man sich als Inkarnation der Herrin genehmigen konnte, manche hatten einfach nur Freude an der Teilnahme an einem Wettstreit als Teil des Rituals, ohne sich darum zu kümmern, ob sie gewannen oder verloren.
Und keine weiß, was in Wirklichkeit auf dem Spiel steht, außer mir.
    Sie ballte die Hände zu Fäusten, als die Spannung in ihrem Innern wieder tiefe Wunden zu reißen begann, und drängte sich nach vorne, bis sie das Startband sehen konnte. Die Älteste der Goodventures bat um Ruhe und verlas die Regeln. Bei diesem Rennen mußte sie nicht die erste sein, sie mußte sich lediglich unter den geheiligten ersten dreiunddreißig befinden – und der Parcour war nicht besonders lang, er sollte jedoch gewährleisten, daß die Kräftigsten eine Chance bekamen. Doch hinter ihr waren noch hundert Frauen ... zweihundert, sie konnte sie von ihrem Platz aus nicht einmal alle überblicken.
    Die Stimme der Ältesten der Goodventures bat um Aufmerksamkeit, und Mond spürte, wie ihr Selbstvertrauen sank, als die ganze Masse sich wie eine Person vorwärtsbewegte. Sie betrachtete durch eine Lücke zwischen den Köpfen und Schultern das dünne Band, das die Flut noch zurückhielt – dann sah sie, wie es mit dem Signal herabfiel. Die Menge der Laufenden drückte sie vorwärts, und so begann das Rennen um die Position der Sommerkönigin.
    Die ersten hundert Meter durchlief sie wie ein geschickter Sprinter, wobei sie alle Konzentration einsetzen mußte, um in dem dichten Knäuel der Gestarteten nicht zu straucheln und hinzufallen, bevor die Reihen sich lichteten. Als sich erste Lücken auftaten, brach sie hindurch, was nicht immer einfach war, sie spürte viele Ellbogen, die sie grob anrempelten. Sie konnte nicht erkennen, wie viele vor ihr waren, sie konnte lediglich laufen und dabei versuchen, möglichst viele der anderen hinter sich zu lassen.
    Eine Meile war nichts, eine Meile war kaum genug, ihren Herzschlag zu beschleunigen, als sie noch mit Funke an den endlosen, schimmernden Stränden von Neith entlanggelaufen war ... Doch diese Meile verlief bergauf, und sie bestand aus hartem Pflaster, nicht aus weichem Sand. Noch bevor sie die Hälfte hinter sich hatte, rasselte der Atem in ihrer Kehle, und ihr Körper protestierte bei jedem Schritt. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie lange es eigentlich schon her war, daß sie über den Strand gelaufen war, aber sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie das letztemal genügend Nahrung und Schlaf gehabt hatte, um den Körper eines Vogels zufriedenzustellen.
Verdammtes Karbunkel!
Nun waren nur noch ein Dutzend Frauen vor ihr, aber die gewannen rasch an Boden. Neue Läuferinnen zogen von hinten mit ihr gleich und an ihr vorbei. Sie stellte mit Entsetzen fest, daß eine der Läuferinnen ein braunes Band trug, kein grünes – die zweite Gruppe begann die erste bereits zu überholen. Sie stolperte, denn ihr Gehirn verlor die Kontrolle über ihre müden Beine.
    Zwei Drittel einer Meile, drei Viertel – und immer mehr zogen an ihr vorbei, nun waren gut und gerne schon dreißig vor ihr, und Seitenstechen raubte ihr den Atem.
Sie überholen mich – und sie wissen nicht, sie wissen ja gar nicht, wonach sie streben!
Mit aller Gewalt darum bemüht, nicht den Anschluß zu verlieren, flog das letzte Teilstück an ihr vorbei, sie verdrängte alle anderen Gedanken aus ihrem Hirn, bis sie das weiße Pflaster des Palastvorhofes unter ihren Füßen sah und das Gewinnerband sich hinter ihren Schultern senkte: Lachend, keuchend und benommen wurde sie von der

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