Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Locke hinter ihr linkes Ohr. In fünf Jahren würde sich ohnehin alles ändern. Die Hegemonie würde Tiamat verlassen und sie anderswo hinschicken - und besser als hier war es
überall.
Geduld, sie mußte nur Geduld haben. Die Götter wußten, wie schwer es war, als Frau Karriere bei den Blauen zu machen, oder gar in eine einflußreiche Position aufzusteigen.
Sie blickte eine weitere Allee hinab, als sie an deren Zugang vorbeifuhren. Diese war hauptsächlich in Blau und Violett gehalten - bemalte Wände, Lichter, Flaggen: die Indigo-Allee ... Sie war in erster Linie nach Tiamat gesandt worden, weil sie eine Frau war, daran bestand für sie kein Zweifel. Das hatte ihr zunächst gefallen, doch das hatte sich schon bald geändert. Sie war bei den Blauen, weil ihr die Arbeit Spaß machte, aber die Arbeit wurde nicht ...
Halb wahrgenommene Bewegungen lösten einen Alarm in ihrem Unterbewußtsein aus. »Zurück, BZ! Blinklicht an! Ich habe in dieser Allee etwas gesehen.« Sie stülpte den Helm wieder über und befestigte beim Aussteigen den Gurt unter dem Kinn. »Folgen Sie mir.« Sie war bereits draußen und rannte los, als das Fahrzeug vor dem spärlich beleuchteten Zugang zu der Allee zum Halten kam. Essensgerüche hingen schwer in der Luft, die schmale Sackgasse bestand fast nur aus Lokalen und war beinahe verlassen – Essenszeit. Beim Anblick des roten Lichts und der blauen Uniform schienen die wenigen Gestalten sich noch enger an die Wände pressen. Auf halber Höhe, es war doch auf halber Höhe gewesen! Sie verlangsamte ihren Schritt und schaltete den Helmscheinwerfer ein, um damit die finsteren Toreinfahrten eines dreistöckigen Warenhauses zu beleuchten. Doch der Scheinwerfer zeigte ihr zunächst nichts, abgesehen von aufgetürmtem Müll und Bergen von Abfall. Sie hörte Gundhalinus Schritte hinter sich auf dem Pflaster, und dann ...
Stimmen.
Ihr Scheinwerfer glitt über die nächste Einbuchtung der Wand, die tiefer als die anderen war. Er nagelte drei Gestalten fest - nein, vier ... fünf -, einer beugte sich über ein hilfloses Opfer, in seiner Hand glomm etwas Leuchtendes. »Halt!« Und schon hatte sie den Stunner in der Hand und auf sie gerichtet.
»Blaue!« Verwirrende Bewegungen, wie Insekten in einem Lichtstrahl, doch eine Bewegung erschien ihr bedrohlich.
Sie feuerte, sah eine Waffe zu Boden fallen, doch auch der Getroffene stürzte. »Ich sagte halt! Steh auf, du da mit dem Messer! Schalt es ab und wirf es hierher! Sofort!« Sie spürte, wie Gundhalinu mit gezücktem Stunner an ihre Seite trat, doch ihre gesamte Aufmerksamkeit galt dem vierten Mann mit dem Lichtmesser, der sich anschickte, ihrem Befehl zu gehorchen. Das Messer schlitterte über den Boden und prallte gegen ihre Stiefel. »Und jetzt flach auf den Bauch legen und Arme und Beine spreizen. BZ, ziehen Sie ihnen die Zähne. Ich gebe Ihnen Deckung.«
Gundhalinu trat rasch nach vorne. Sie beobachtete, wie er sich neben jedem niederkauerte und ihn nach Waffen durchsuchte. Während sie wartete, glitt ihr Blick zu dem Opfer, das hilflos auf einer Seite lag, dann trat sie stirnrunzelnd einen Schritt näher, um sein Gesicht zu betrachten. »Oha ...« Sie sah verschwommen ein jugendliches Gesicht und rote Haare im Scheinwerferlicht, sah vor Entsetzen geweitete Augen und hörte den keuchenden, schweren Atem. Sie kniete sich an seiner Seite nieder. Gundhalinu durchsuchte gerade den letzten der Sklavenhändler. »BZ, suchen Sie den Schlüssel für die Handschellen, die sie diesem Jungen hier angelegt haben. Er hat eine böse Dosis abbekommen, ich glaube, er braucht etwas vom Gegenmittel.« Sie öffnete das Erste-Hilfe-Päckchen an ihrem Gürtel und nahm eine Phiole Stimulanz heraus. »Ich weiß nicht, ob du mein Gesicht sehen kannst, mein Junge, aber stell dir ein frohes Lächeln vor. Wird alles schon wieder werden.« Sie öffnete lächelnd das Hemd des Jungen und injizierte ihm das Gegenmittel direkt in die Brustmuskulatur. Er stieß einen leisen Laut des Schmerzes oder Protestes aus. Sie hob seinen Kopf an und legte ihn auf ihr Knie, da kam Gundhalinu auch schon mit dem Schlüssel heran, um ihm die Handschellen abzunehmen. Die Arme des Jungen sanken schlaff herab.
»Ich kenne eine bessere Verwendung für das hier.« Gundhalinu grinste und hielt die Handschellen hoch.
Sie nickte. »Gut. Nur zu!« Sie löste ihre eigenen und gab sie ihm hinüber. »Alsdann. Gleiche Behandlung vor dem Gesetz.« Gundhalinu erhob sich wieder. Sie sah zu, wie er den
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