Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Arienrhod lächelte. »Ich kenne sie, sie wird kommen.«
Wenn sie glaubt, daß ihr Geliebter in Gefahr ist, wird sie kommen.
»Sie haben mir redlich gedient ...« – sie erkannte, daß sie nicht einmal mehr seinen Namen wußte, daher konnte sie ihn auch nicht damit anreden – »... Händler. Sie verdienen eine gute Belohnung.«
Ihr Götter, ich werde alt.
Ihr Lächeln erlosch. Sie drückte eine Reihe erleuchteter Knöpfe an der Lehne des Sessels. »Sie werden feststellen, daß die Rechnungen für die heute an Bord genommene Fracht bereits alle bezahlt sind.«
»Danke, Eure Majestät!« Sie sah zu, wie sein runzliges Gesicht erstrahlte, als er die Ehrenbezeugung machte. Sie haßte die Häßlichkeit des Alters, obwohl sie wußte, sie selbst war unverwundbar.
Sie entließ ihn, ohne ihn nochmals darauf hinzuweisen, über seinen Besuch Stillschweigen zu bewahren. Er war ein ferner, aber loyaler Gehilfe, egal wie sehr er sich auch über diese seltsame Patenschaft, oder deren geheime Ziele, wundern mochte. Sie wußte, er würde niemals Fragen stellen oder sie verraten. Besonders nicht, wenn er so fürstlich entlohnt wurde.
Nachdem er gegangen war, erhob sie sich von dem Sessel in ihrem kleinen Privatgemach, ging zur Tür und öffnete sie. Unerwarteterweise fand sie Starbuck im Vorzimmer. Er hatte seine Hunde bei sich – die amphibischen Jäger von Tsieh-pun, die für die Jagd auf Mers geradezu ideal waren. Die Hunde waren in einer Ecke des Saales versammelt, ihre Tentakelarme winkten, während sie einander anknurrten.
Doch Starbuck lehnte mit seiner üblichen, aufreizend nachlässigen Art an einem massiven Samathantisch sehr nahe zu ihrer Linken – und sehr nahe bei der Tür. Sie fragte sich, ob er gelauscht hatte, kam zu dem Ergebnis, daß er es wahrscheinlich getan hatte, und daß es wahrscheinlich keine Rolle spielte.
Er war maskiert und wie üblich in Schwarz, doch es handelte sich nicht um seine Hofkleidung, sondern um einen Thermalanzug, an dem die Jagdausrüstung befestigt war. Als er sich aufrichtete, brach sich das Licht an der Klinge seines Jagdmessers. Er verbeugte sich vor ihr, wie es sich geziemte, doch nicht, ohne sie zuvor mit einem fragenden Blick aus seinen dunklen Augen zu bedenken.
»Du willst also schon gehen?« Sie präsentierte ihm nichts, abgesehen von der Kälte in ihrer Stimme.
»Ja, Majestät. Wenn es beliebt.« Sie spürte den vorgetäuschten Austausch eines Rituals zwischen Gleichgestellten.
»Es beliebt mir außerordentlich.«
Ja, geh, mein allzu selbstsicherer Jäger. Du bist nur einer von vielen, und es könnte sein, daß du nicht der letzte bist.
»Je früher du gehst, desto besser. Jagst du heute für den Ältesten Wayaways?«
»Ja, Majestät. Das Wetter ist klar und wird wahrscheinlich halten.« Er zögerte, dann kam er auf sie zu. »Willst du mir kein Glück bei der Jagd wünschen?« Seine Hand liebkoste ihre Haut durch den Stoff der Kleidung.
Er lüftete die schwarzgehörnte Maske, und sie zog sein Gesicht zu ihrem herab und gab ihm einen Kuß, der noch größere Belohnungen versprach. »Viel Glück.«
Er nickte und wandte sich ab. Sie sah ihm nach, wie er den Hunden winkte und sich auf den Weg machte, der über Leben und Tod entschied.
7
»Eingabe ... «
Ein Luftozean ... ein Steinozean. Sie flog. Mond betrachtete die Wände behauenen Steins, die sie über die Canyonlandschaft führten, eine unermeßliche Ausdehnung erodierten Felsgesteins, das violett, grün, scharlachrot und grau funkelte, mit den Augen eines Fremden. Sie war im Magen eines durchsichtigen Vogels gefangen, einem fliegenden Luftschiff, Skalen und Drucktasten und seltsame Symbole blinkten und flackerten vor ihren Augen. Aber sie wurde von ihrer Trance in Stasis gehalten, daher konnte sie sie auch nicht erreichen, als eine purpurne Felswand bedrohlich vor ihr aufragte.
Doch das Schiff steuerte von selbst über den Grat und in einen noch tieferen Graben hinab. Sie zitterte. Ein rotes Licht flammte an der Konsole auf, das besorgniserregend blinkte, während sich ihre Geschwindigkeit wieder stabilisierte. Woher sie gekommen war, wohin sie ging, und was das unter ihr für eine seltsame Landschaft war, das alles waren Rätsel, die sie wohl, niemals würde lösen können, ebensowenig wie die Antwort zu finden auf die Fragen nach dem Wie, dem Warum und mit wem ... Über ihr erstreckte sich indigofarben der endlose Himmel, der am Zenit ins Schwarze spielte und nur von einer einzigen, winzigen, silbernen
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