Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
und in den Schatten zog.
Niburu schielte über die Schulter auf die Gestalten, die er gerade noch wahrnehmen konnte. »Gundhalinu ißt doch immer mit uns ...«
»Du weißt, was ich meine«, herrschte Reede ihn an. »Die Soldaten.«
Nervös und trotzig hielt Niburu seinem Blick stand. Er zuckte die Achseln. »Ich wollte Saroon einladen, also mußte ich auch Hundet fragen. Wir wollten ein bißchen feiern ...« Reede merkte, daß Niburu nach Bier roch; sie alle mußten das einheimische Gebräu getrunken haben.
»Was, zum Henker, glaubst du, ist das hier?« Reede packte ihn an der Brust und schüttelte ihn einmal heftig, so daß er Stew verschüttete. »Ein Picknickausflug? Eine Vergnügungsreise? Diese Kerls sind unsere Feinde!« Es fehlte gerade noch, daß Niburu und Ananke diese höchst überflüssigen Kreaturen als Individuen oder gar als Freunde betrachteten.
Niburu lief rot an. »Sie sind nicht meine Feinde ...«
»Komm mir nicht mit diesem dämlichen Quatsch!« Reede ließ ihn los. Er sah, daß Niburu nichts begriff und hätte ihn am liebsten erwürgt. »Was würde wohl passieren, wenn sie wüßten, weshalb wir wirklich hier sind?«
»Sie würden uns alle umbringen, und das könnte ihnen keiner verdenken«, entgegnete Niburu erbittert. »Trotzdem sind sie Menschen.« Sein Gesicht nahm einen gefährlich rebellischen Ausdruck an. »Jetzt ist es ohnehin zu spät, um sie wieder auszuladen. Du willst doch auch was essen, oder?«
Reede starrte ihn wütend an. Ihm fielen die Worte ein, die Niburus Phantasiewelt zerschlagen hätten, aber sie kamen ihm nicht über die Lippen. Niburu drehte sich um und stapfte davon. Seufzend ging Reede ihm hinterher; ihm war klar, daß es für Niburu schon zu spät war. Aber das spielte keine Rolle, solange es für ihn nicht zu spät war, solange er an seinem Vorsatz festhielt.
Er folgte Niburu auf die freie Fläche zwischen den Kuppeln. Auf einem Klappstuhl sitzend, aß er und setzte ein nichtssagendes Lächeln auf. Das Stew war gut; die scharfen Gewürze überdeckten den schalen Geschmack des gefriergetrockneten Fleisches. Er konzentrierte sich ganz auf das Essen und das pikante Aroma, das ihm in die Nase stieg. Zum Glück schien Gundhalinu, der neben ihm saß, so in seine eigenen Gedanken oder in die des Feuersees vertieft zu sein, daß er keine Konversation mit ihm begann.
Reede bemühte sich, Ananke zu ignorieren, der es zuließ, daß Saroon den Quoll auf den Schoß nahm; er wandte den Blick ab, als der Quoll an Saroons verschwitztem Uniformhemd hochkrabbelte und sich freundlich grummelnd unter sein Kinn kuschelte; er sah auch weg, als sich in Saroons schmale, verhärmte Züge zum erstenmal ein Lächeln stahl, und er nahm keine Notiz von Niburu, der ihn prüfend musterte. Nur Hundet schien genauso schlecht gelaunt zu sein wie er, deshalb fixierte er ihn.
Hundet schielte nervös von einem zum anderen, und Reede merkte, daß er sich genauso unbehaglich fühlte wie er. Der Sergeant leerte die Flasche Ouvung, wahrscheinlich nicht seine erste an diesem Tag. Er haßte dieses surreale Ödland, die sonderbar aussehenden Fremden, diese Außenweltler, die seine Heimat und sein Leben beherrschten – die alles unter Kontrolle hatten, was er nicht verstand, und das war viel. Er haßte, was er fürchtete, und deshalb trank er, bis er in jedem von ihnen das Stück Vieh sah, das er selbst war.
Wenn das Gesetz ihm keinen Feind bescherte, dann ließ er seine Aggressionen an Untermenschen wie Saroon aus, an einer Frau, falls er gerade eine hatte, oder an seinen Kindern ... mit Fußtritten, Fausthieben oder einem Schlag mit dem Gewehrkolben.
Dieser Typ würde einen unter schwarzes, kaltes Wasser drücken ...
Fluchend spuckte Reede aus, als ein besonders scharfer Happen seine Augen tränen ließ. Danach nahm er einen großen Zug aus der Flasche mit dem kalten, urinfarbenen Bier, die neben seinem Stiefel stand.
Hundet blickte hoch und ertappte ihn beim Gaffen; ehe er wieder unverbindlich dreinschauen konnte, hatte der Sergeant seinen Ausdruck bereits richtig gedeutet. Sein Gesicht verfinsterte sich, und er glotzte einen nach dem anderen mit offenkundigem Abscheu an. Langsam stand er auf. In seiner Muttersprache Beleidigungen ausstoßend, schickte er sich an, den Kreis zu verlassen. Doch er drehte sich wieder um, als Saroon sich vergaß und laut loslachte, vielleicht, weil der Quoll etwas Drolliges getan oder Ananke etwas gesagt hatte. Mit einem eigenartigen Gefühl deDejà-vuvu sah Reede zu,
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