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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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ihm, wann immer er sich in seiner Reichweite befand. Hinter seinen Augen murmelte die Stimme, lauter werdend, während er sich zur Tat rüstete. Die Emotionen des Feuersees vermischten sich mit den seinen, machten ihn reizbar und zerstreut. Es bedurfte seiner ganzen Selbstdisziplin, um sich zu einem konzentrierten Denken zu zwingen.
    Von klein auf hatte man ihn gelehrt, daß das wichtigste im Leben Selbstbeherrschung war. Doch der See hatte ihm das Absurde an dieser unerreichbaren Idealvorstellung gezeigt. Er hatte ihn zu einem besseren Menschen gemacht – doch um welchen Preis. Gundhalinu haßte diesen Ort, und er wünschte sich nichts sehnlicher; als wieder abreisen zu können. Der Schweiß, den er sich von der Stirn wischte, rührte nicht nur von der Hitze her.
    Kullervo spähte empor in den grellblauen Himmel. Hier schien es nie zu regen, im Gegensatz zu Foursgate, wo es unentwegt nieselte. Als er merkte, daß Gundhalinu ihn ansah, senkte er ernst den Blick und starrte in die Tiefe, wo der Fluß auf sie wartete; ein schmaler, in den Fels gehauener Pfad führte hinunter. Sein Körper war straff gespannt wie eine geballte Faust, und seine verwirrend blauen Augen studierten den Pfad, das Wasser, die roten Felswände und abermals das Wasser mit der Rastlosigkeit eines gefangenen Tieres.
    Seit sie sie am Morgen das Lager verlassen hatten, hatte Kullervo kaum drei Worte gesprochen. Der Gedanke an das Wasser hatte offensichtlich eine Paranoia bei ihm ausgelöst, obwohl er es nie zugegeben hätte. Aber Gundhalinu hegte den Verdacht, daß Kullervo auf einer bestimmten Bewußtseinsebene schon immer so empfunden hatte; irgend etwas, das er nur mit Mühe im Zaum hielt, schien ihn innerlich zerfressen zu wollen: Er fragte sich, ob Kullervos Genialität nicht gleichzeitig sein Fluch war ... Und während ihm dieser Gedanke kam, schrie die Stimme in seinem Kopf plötzlich nicht mehr so laut.
    »Wir wollen es hinter uns bringen!« schlug Kullervo vor. Seine Stimme klang merkwürdig weit weg; Gundhalinu war sich nicht sicher, ob Kullervo tatsächlich wie aus weiter Ferne sprach, oder ob sein Gehör ihm einen Streich spielte. Er nickte und schulterte seinen Rucksack mit der Ausrüstung, dann stieg er den steilen, engen Pfad hinab, der vor Urzeiten in die Felswand gemeißelt worden war. Das Werk stammte von Menschenhand, das wußte er genau, er hatte die rötlich schimmernden Gespenster bei der Arbeit gesehen. Krampfhaft starrte er vor sich auf den Weg, doch immer wieder schweifte sein Blick ab, wie magnetisch angezogen von dem silbern glitzernden Mysterium in der Tiefe, das er endlich erforschen wollte.
    Sie erreichten den Grund des Canyons und standen am Ufer aus rotem Gestein. Gundhalinu betrachtete den Fluß, und nun erkannte er deutlich, was ihm daran so fremdartig vorgekommen war: das Wasser gehorchte nicht den Gesetzen der Schwerkraft und dem atmosphärischen Druck, wie jede andere normale Flüssigkeit. Es kräuselte sich, verspann sich, zu zopfartigen Mustern und ringelte sich wie eine Schlange; die Oberfläche war nicht glatt, sondern äffte die Struktur des steinernen Flußbetts nach. Uralte Erinnerungen brandeten hoch und dirigierten den Lauf des Wassers.
    »Bei den Göttern«, murmelte Kullervo. »Was, zur Hölle, ist das?«
    »Das ist Wasser«, antwortete Gundhalinu.
    »Wasser verhält sich anders!« Kullervos Hände zuckten.
    Gundhalinu ging in die Hocke und schöpfte mit hohlen Händen Wasser aus dem Strom; betont langsam trank er das klare Naß. »Es ist Wasser. Warum es so aussieht, weiß ich nicht. Vermutlich liegt es an den Energiefeldern. Hier verhält sich nichts normal, das muß man einfach akzeptieren.«
    Eine geraume Weile sagte Kullervo nichts, während beide Männer aufs Wasser starrten. Schließlich fragte er: »Ist es kalt?«
    Gundhalinu warf ihm einen Blick zu. »Nein, es ist sogar ziemlich warm.«
    Kullervo nahm seinen Rucksack ab und stellte ihn auf den Boden. Dann zog er den Taucherhelm heraus und hielt ihn hoch. »Es geht los!« sagte er, wie wenn er mit dem Fluß spräche.
    »Sie brauchen nicht selbst zu tauchen«, schlug Gundhalinu unvermittelt vor. Er dachte daran, was Reede ihm vorgeschlagen hatten, als sie sich rüsteten, das Plasma zu impfen. Soll ich Niburu holen?«
    »Nein.« Kullervo schüttelte den Kopf und zog die Stirn kraus. »Er ist nicht ... qualifiziert. Ich ... ich muß es selbst tun.« Er stülpte sich den Helm über den Kopf und schottete sich so vor jeder weiteren Diskussion

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