Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Schließlich setzte er sich rittlings auf Elco Teels Bauch. Als er sich vorbeugte, berührten sich ihre Hüften wie die eines Liebespaares. Pfiffe und Händeklatschen ertönten, als er Elco Teels Gesicht mit den Händen umrahmte und den Mund auf seine Lippen drückte.
Er wollte dem Treiben schnell ein Ende machen und hob gleich wieder den Kopf; die Anfeuerungsrufe verwandelten sich in Häme und Protest. Ariele sprang auf die Füße. »Geh weg, Tammis! Ich zeige dir, wie es richtig ist!« Sie lief los, blieb aber jählings stehen, als Elco Teel Tammis plötzlich umarmte, zu sich herabzog und ihm einen leidenschaftlichen, feuchten Kuß gab. Sie sah, wie Tammis am ganzen Körper zitterte, doch zu ihrer Überraschung wehrte er sich nicht. Verstohlen schielte sie zu Merovy hinüber; das Mädchen blickte verwirrt drein.
»Sieh dir das an, Tirady! Ich glaube, Elco Teel hat seine große Liebe gefunden.«
Ariele erschrak, als sie hochblickte und Kirard Set Wayaways zusammen mit seiner Frau Tirady in der Tür stehen sah. Aber Elco Teels Vater schüttelte nur lachend den Kopf und trat ein paar Schritte ins Zimmer hinein, während er lässig sein glitzerndes Abendjackett öffnete. »Laßt euch von mir nicht stören, Kinder. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr hinter meinem Rücken meine Spielgeräte benutzt. Und es ist sicher alles ganz harmlos.«
»Wir üben nur die Herz-Atem-Technik, Da.« Elco Teel rollte sich auf die Seite, stützte das Kinn mit der Hand ab und versuchte das blasierte Lächeln seines Vaters zu imitieren. »Wie wir sie heute im Laden gesehen haben. Ich war das Opfer.«
Kirard Set hob die Augenbrauen. »Du hast Capella Goodventure gespielt? Bei den Göttern – oder sollte ich lieber sagen, bei den Titten der Herrin – das ist ja pervers! Tirady, kannst du dir vorstellen, daß unser Sohn sich in einen religiösen Fanatiker verwandelt?«
Tirady Graymount murmelte eine Erwiderung, die Ariele nicht verstand, aber es klang ärgerlich und gelangweilt. Ohne jemanden eines Blickes zu würdigen, rauschte sie an allen vorbei zu dem Schrank, der mit alkoholischen Getränken gut bestückt war. Elco Teel behauptete, seine Eltern besäßen auch einen schwindenden Vorrat an exotischeren Drogen, die noch aus der Zeit der Winterkönigin stammten, doch selbst er wußte nicht, wo sie versteckt waren. Tirady bewegte sich nicht mehr ganz sicher, und Ariele argwöhnte, daß sie sich bereits einen Schwips angetrunken hatte. Vielleicht hatte sie sich mit Kirard Set gestritten, und deshalb waren sie so früh zurückgekehrt.
Arieles Blick wanderte von Kirard Set zu Elco Teel; sie versuchte zu ergründen, ob der Vater sich ärgerte und seinen Groll nur überspielte, und ob der Sohn wirklich so unbekümmert war, wie er sich gab. Die Familie faszinierte sie. Sie war so anders als ihre eigene, die ihr manchmal fremder vorkam als die Mers.
Aber Kirard Set interessierte sich nur für seine Frau. Er ging zu ihr und versuchte, ihr die Flasche Wein abzunehmen, die sie aus dem Schrank geholt hatte. Mit kalten, blassen Augen, die an Gletschereis erinnerten, starrte sie ihn an. Achselzuckend ließ er sie gewähren und wandte sich ab. Tirady steuerte auf eine hintere Tür zu.
Als sie an einem Spiegel vorbeikam, blieb sie stehen und spähte angestrengt hinein, wie wenn sie in eine andere Dimension schaute. Sie hob ihre blasse, schmale Hand, drückte sie gegen ihre Wange und straffte die Haut, bis die Falte an ihrem Mund verschwand. Dann ließ sie die Hand wieder sinken, furchte die Stirn und segelte aus dem Zimmer, als hätte sie ihre Umgebung gänzlich vergessen.
»Heute abend fühlt sich deine Mutter alt«, murmelte Kirard Set. Er holte sich selbst eine Flasche aus dem Schrank und entfernte den Stöpsel. Nachdem er ein paar tiefe Züge direkt aus der Flasche genommen hatte, trat er in den Kreis der stillgewordenen jungen Leute und hielt ihnen die Flasche entgegen. Mehrere Jugendliche schüttelten den Kopf, standen linkisch auf und sagten, sie müßten heimgehen. Einer nach dem anderen verließ den Raum. Weder Kirard Set noch Elco Teel unternahmen einen Versuch, die Gäste zurückzuhalten. Auch Merovy und Tammis verdrückten sich.
Ariele streckte die Hand aus, und mit einem hintergründigen Lächeln überließ Kirard Set ihr die Flasche; als er sie von Kopf bis Fuß musterte, fühlte Ariele, wie ihre Haut in einer angenehmen Weise zu prickeln begann. Sie wußte genau, daß Kirard Set die Frau in ihr sah, und nicht das Kind. Er sah immer
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