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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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stellte sie fest, daß sie sich so gefiel. Vielleicht, weil Shotwyn, wenn er guter Laune war, sie als Vollweib bezeichnete; vielleicht lag es auch daran, daß ihre Kurven die Kleidung ausfüllten, und sie sich nicht mehr wie eine Hochstaplerin vorkam.
    Vor sich selbst räumte sie ein, daß sie zwar nicht die Zukunft hatte, von der sie einst träumte, daß sie sich aber dennoch nicht beklagen konnte. Und nun hieß es sogar, die tausend Jahre seien endlich vorbei, die Außenweltler seien in den Besitz des legendären Stardrives gelangt, und ihre Rückkehr sei eine Sache von wenigen Jahren. In ihren wildesten Träumen hätte sie sich nicht ausgemalt, diesen Tag je zu erleben. Das Leben war also doch nicht so eintönig und von Fischgeruch überlagert, wie sie befürchtet hatte.
    Im Gegenteil, als sie am Spiegel vorbeitänzelte, stieg ihr ein köstlicher Duft in die Nase. Sie holte tief Luft. Außer ihrem Parfüm, das Shotwyn ihr in einem Augenblick der Leidenschaft, der viel zu lange zurücklag, aus Blumen und Kräutern gebraut hatte, und den Küchengewürzen, die er benutzte, umfächelte sie noch ein anderer, himmlischer Geruch.
    Sie schaute in den schummrig beleuchteten Speiseraum, in dem bereits vereinzelte Gäste saßen. Das Licht war nicht gerade eine High-Tech-Errungenschaft, doch es schmeichelte den alternden Gesichtern; und selbst die Außenweltlern hatten einen Hauch von rustikaler Atmosphäre geliebt, denn dann kamen sie sich vor, als erlebten sie hier auf dieser sonderbaren, abgelegenen Welt ein exotisches Abenteuer.
    Während sie in die Küche ging, studierte sie die abendliche Speisekarte. Die blumigen Bezeichnungen in kaum aussprechbaren Idiomen ärgerten sie, obwohl sie wußte, daß dieser Firlefanz notwendig war; Shotwyn hatte ihr erklärt, es gehörte mit zum Flair. Jeden Abend mußte sie ihn bitten, ihr die Speisekarte zu übersetzen, denn die meisten ihrer Gäste beherrschten die fremden Sprachen nicht mehr flüssig, falls sie sie überhaupt je gelernt hatten.
    »Ihr Götter ...«
    Als sie durch die Tür in die Küche trat, hörte sie schon Shotwyns näselnde, aufgeregte Stimme. Von ausdrucksvollen Gesten untermalt, schalt er einen Küchengehilfen, weil der offenbar irgend etwas verkehrt gemacht hatte. Sein unglückliches Opfer war Brannod, einer der beiden Brüder aus dem Stamm der Winternomaden, die sie zum Geschirrspülen und Saubermachen angeheuert hatte.
    Langsam begann sich die Stadt mit Angehörigen des Nomadenvolks zu füllen; diese ungebildeten, ziellosen Gesellen mußten verhungern, wenn sich nicht eine gute Seele wie sie ihrer erbarmte und sie für niedrige Arbeiten einstellte. Aber da sie nicht einmal wußten, wie unwissend sie waren, stellten sie sich tolpatschiger an als die Sommerleute. Während der einhundertundfünfzig Jahre dauernden Herrschaft der Schneekönigin und der Hegemonie waren viele von ihnen von den Außenwelt-lern abhängig geworden, weil sie mit ihnen Handel trieben oder sie bestahlen. Aber im Gegensatz zu den Winterleuten aus der Stadt oder von der Küste verstanden sie von Technologie so gut wie nichts. Die Nomaden waren genauso fremdenfeindlich und abergläubisch wie die Sommer, nur hatten sie ihre angestammten Traditionen nicht gepflegt und wußten nicht mehr, wie sie sich aus eigener Kraft am Leben erhalten konnten. Deshalb pilgerten sie mit Einsetzen der Schneeschmelze in Richtung Küste und gelangten auf diese Weise in die Stadt.
    Die beiden Brüder waren schon in Ordnung – nicht besonders helle, aber auch nicht besonders störrisch; und sie waren bestrebt, treue, wenn auch beschränkte, Angestellte zu werden. Für Arbeiten, die mehr Geschicklichkeit oder gute Umgangsformen erforderten, stellte sie Winterleute aus der Stadt ein.
    »Was ist los, Shotwyn?« Er erschrak und drehte sich um; in Brannods blaßblauen Augen erschien ein Ausdruck der Erleichterung.
    »Es klappt aber auch gar nichts!« schimpfte Shotwyn und schob Brannod mit seiner mehlbestäubten Pranke beiseite. »Geh und bring mir eine neue Schüssel. Und dann räumst du diesen Mist hier weg. Idioten ...« Brannod trollte sich mit mürrischer Miene. Shotwyn fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und die braunen, graumelierten Strähnen wurden weiß. »Ich schlitze mir noch den Bauch auf, wenn das so weitergeht.«
    »Nur Kharemoughis schlitzen sich selbst den Bauch auf, Shotwyn«, unterbrach sie ihn gelassen. »Treib deine Nostalgie für die Vergangenheit nicht zu weit.«
    Er zog die Nase hoch. »Von

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