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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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visuelle Sensoren zerstört worden. Und da die Außenweltler keine eigenständige technische Entwicklung auf dieser Welt zuließen, konnte nichts repariert werden.
    Dann waren sie davongeflogen, in der Gewißheit, daß die technikfeindlichen Sommerleute nach Norden in das Territorium des Wintervolks ziehen würden, wie sie es seit jeher getan hatten. Die Sommerkönigin würde die Tiamataner – ob sie es wollten oder nicht – wieder in die traditionellen Sitten und Gebräuche einführen, die seit Jahrhunderten ihr Überleben gewährleisteten. So war es schon gewesen, noch ehe die Außenweltler einen Fuß auf diesen Planeten setzten. Und bis zur Rückkehr der Hegemonie würde auf Tiamat die Zeit stillstehen.
    Mond Dawntreader jedoch wollte mit dieser Konvention brechen. Tors Bewunderung für die Ziele der Königin wurden nur noch von ihrer Skepsis übertroffen, ob diese Pläne überhaupt zu verwirklichen waren.
    Tor zog Fate zur Seite, als ihnen ein mit Kleyhäuten beladener Mann entgegenkam. Der faulige Gestank, der ihr beim Vorbeigehen in die Nase stieg, ließ sie taumeln und gegen Fate prallen. Sie gewann das Gleichgewicht zurück und konnte gerade noch verhindern, daß sie beide im Rinnstein landeten. »Paß auf, wo du hingehst, du Tölpel! Willst du eine blinde Frau umstoßen?«
    Im Gehen drehte der Mann sich um. »Paß doch selbst auf, du mutterloses Weib! Ich hab besseres zu tun, als dir das Laufen beizubringen.«
    »Was denn? Gute Manieren lernen?« höhnte sie. »Schmarotzer!« Er kehrte ihnen den Rücken zu und trottete weiter.
    Tor machte eine rüde Geste hinter ihm her. Fate griff nach ihrem Arm. Tor zwang sich dazu, ruhiger zu werden und murmelte etwas vor sich hin. Dann ging sie mit Fate weiter. »Diese Fischfresser sollten alle ersaufen. Dann brauchten wir uns nicht mehr über sie zu ärgern.«
    »Aber dann hättest du keinen mehr, den du hassen könntest«, entgegnete Fate mit mildem Spott.
    Tor holte tief Luft. »Na schön, ich sollte sie nicht hassen. Sie sind unsere Vettern, und zum Überleben brauchen wir uns gegenseitig. Alle unsere Sünden sind zusammen mit der Schneekönigin im Meer untergegangen, und jetzt sind die Sommer und die Winter wieder vereint«, leierte sie die Propaganda der Sommerkönigin herunter, den angeblichen Willen der angeblichen Meeresmutter. »Aber, bei den Göttern, ich möchte wirklich wissen, wer behauptet hat, Fischessen sei gut fürs Gehirn.«
    Fate lachte und hing ihren eigenen Gedanken nach, während Tor sie die Gasse entlangführte. Die Winterleute duldeten es, daß das Sommervolk periodisch in ihr Territorium eindrang, weil ihnen im Grunde gar keine Wahl blieb. Um zu überleben, waren die Sommer und die Winter aufeinander angewiesen, und ein uralter, gemeinsamer Kult regelte ihr Zusammenleben. Das Volk, dem Tor angehörte, wartete geduldig wie Exilanten darauf, daß der Hochsommer vorüberging, in der festen Überzeugung, daß die Außenweltler so bald wie möglich zurückkehren und wenn nicht ihnen, so doch ihren Nachkommen, den gewohnten Luxus wiederbringen würden.
    Doch trotz der Clanbindungen und ihrer traditionellen Religion, die ihnen Verhaltensmuster vorgaben, bewirkte der durch den Wechsel verursachte Schock häßliche Reibereien. Zwischen Winterleuten, die während der einhundertundfünfzig Jahre dauernden Herrschaft der Außenweltler jeden Sinn für ihr Erbe verloren hatten, und Angehörigen des Sommervolks, die sich auf dem Territorium ihrer entfernten Verwandten vorkamen wie ungeliebte Eindringlinge, kam es immer wieder zu öffentlichen Handgreiflichkeiten, obwohl nach dem Wechsel acht Jahre vergangen waren.
    Ehe die Situation sich bessern konnte, würden sich die Probleme zuerst noch verschlimmern, denn die unorthodoxen Umwälzungen, die die neue Königin vornahm, verschärften die alten Spannungen. Die Sommerleute trudelten nach und nach in Karbunkel ein, und vielleicht war das der Grund, weshalb keine Anarchie ausbrach. Noch zehn Jahre, und die Stadt würde von Menschen wimmeln – in einer anderen Weise, als zu der Zeit, als die Außenweltler sie bewohnten, aber eng würde es trotzdem werden. Und auch das Land ringsum, das langsam aufzutauen begann, würde sich verändern.
    »Wir sind da«, sagte Tor. Zögernd stand sie da, während Fate ihre Haustür aufsperrte. »Kann ich dich alleinlassen?« Normalerweise blieb sie noch zum Abendessen, obwohl sie wußte, daß Fate sich in ihrer Wohnung und in dem ehemaligen Geschäft sehr gut allein zurechtfand.

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