Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
wieder verlassen.
»Er wurde nach Kharemough zurückgeschickt und des Verrats angeklagt. Polizeikommandant Vhanu hat das Kriegsrecht verhängt; er hat jetzt das Kommando.«
»Nein!« tobte Reede. »Das kann nicht sein ... Dieser verdammte Hurensohn!« Während er die Waffen anstierte, die auf sein Herz zielten, wurde ihm die volle Tragweite der neuen Situation bewußt. Die Konsequenzen waren ungeheuerlich. Ananke beiseite stoßend, wirbelte er herum und hechtete auf die Tür zu.
Jemand feuerte; der Stunnerschock traf ihn in den Rücken und lähmte seinen ganzen Körper. Während er hilflos in der Luft driftete, bugsierte man ihn brutal ins Systemzentrum zurück. Nachdem sie ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt hatten, taten sie das gleiche mit Ananke und Niburu. Sorgfältig wurde Reede durchsucht; in stummer Verzweiflung sah er zu, wie sie die Phiole mit dem Wasser des Todes aus der Tasche an seinem Gürtel holten.
»Er ist krank«, protestierte Niburu, als die Marines die Droge konfiszierten. »Er braucht das, es ist Medizin, so laßt ihn doch die Phiole behalten ...«
Der Leutnant schüttelte den Kopf. »Mir sieht das nicht nach Medizin aus.« Er sah den Mann an, der die Phiole in der Hand hielt. »Schick das Ding mit nach unten; die Polizei soll den Inhalt prüfen.«
Reede schloß die Augen, unfähig, auch nur den geringsten Laut von sich zu geben. Es kam ihm vor, als müßten die aufgestaute Wut und Frustration seinen Schädel jeden Augenblick platzen lassen.
Der Leutnant deutete auf die Luke hinter ihnen. »Bringt sie hier raus, dann nehmt Kontakt mit der Polizei auf!« Er wandte sich an Reede. »Zu schade, daß Sie den Obersten Richter nicht mehr antreffen, Kullervo. Aber Kommandant Vhanu wird überglücklich sein, Sie zu sehen.«
Als sie den Boden erreichten, hatte sein Nervensystem die Funktion wiederaufgenommen, so daß er stehen und aus eigener Kraft laufen konnte. Die Marines übergaben sie und die Phiole mit dem Wasser des Todes den bereits auf sie wartenden Blauen.
Die uniformierten Polizisten transportierten sie durch den Tunnel, der den Sternenhafen wie durch eine Nabelschnur mit Karbunkel verband. Reede hockte mit hängenden Schultern auf seinem Platz, sagte nichts und starrte geradeaus in die mit Lichtpunkten durchsetzte Schwärze.
Sie fuhren nicht mit dem Lift durch einen der wuchtigen, innen hohlen Pylone, auf denen die Stadt ruhte, nach oben; statt dessen verfrachteten die Blauen sie in den dämmerigen Hafen unter Karbunkel, und dort steuerten sie auf die Hauptrampe zu, die von der City zu den Docks führte.
»Wieso nehmen wir diesen Weg?« schnauzte Reede, den Angst und Nervosität reizbar machten.
Einer der Blauen sah ihn an. »Der Lift funktioniert nicht.
Verdutzt starrte Reede zurück und wandte dann rasch den Blick ab. Er merkte nur allzu deutlich, wie seine Haut zu kribbeln begann, seine Fußsohlen bei jeder Berührung mit dem Boden brannten, und wie jede Wunde an seinem zerschlagenen Körper höllisch schmerzte, weil die Nervenenden überempfindlich wurden. Er versuchte, nicht daran zu denken, wieviel Zeit dieser Um- weg kosten würde, und in welchem geschwächten Zustand er sich am Ende der Reise befinden mochte.
Am Fuß der Rampe blieben sie stehen, weil eine andere Patrouille ihnen entgegenkam. Sie schleppten etwas mit sich, was wie eine Leiche in einem Sack aussah.
Mit gespannter Miene fragte der Sergeant, der den Trupp befehligte, in dem sich Reede befand: »Wer ist das?«
»Keiner von uns«, erwiderte die Anführerin der Patrouille. »Ein Einheimischer.«
Der Sergeant atmete sichtlich auf. »Ist einer von diesen mutteranbetenden Sommerleuten schon wieder über Bord gefallen?« Seine Mundwinkel hoben sich in einem erwartungsvollen Lächeln.
Die Anführerin schüttelte den Kopf. »Diesmal ist es ein Winter, ein gewisser Kirard Set Wayaways. Wir übergeben ihn den Stadtkonstablern.«
Reede erstarrte. »Wie ist er gestorben?«
Die Frau in der blauen Uniform sah ihn überrascht an. »Durch die Gerichtsbarkeit der Königin«, erwiderte sie mürrisch. »Er war wohl kein guter Schwimmer.«
Reede spürte, wie er eiskalt lächelte. »Er hat sich zu weit vorgewagt ...«, murmelte er. Dann drängten seine Bewacher ihn zum Weitergehen, und er stieg die Rampe empor.
Während sie nach oben kletterten, fiel ihm auf, daß noch etwas mit der Stadt nicht stimmte: je höher sie kamen, um so dunkler wurde es, anstatt heller. Karbunkel war immer strahlend erleuchtet gewesen,
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