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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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anfing zu rezitieren. Er merkte sich, wo die Steine hinfielen; sie verteilten sich über das ganze Brett, zeigten jedoch eine signifikante Anhäufung von einstelligen Zahlen. Der Geschäftsmann van Nummer Vier sammelte die Steine ein und warf sie aufs neue, als er die erste Antwort gab. Das Frage-und-Antwort-Ritual ging weiter und erreichte Vhanu; dann kam der Beamte neben ihm an die Reihe. Die Spielsteine klapperten gegen den Brettrand und gruppierten sich neu.
    Gundhalinu behielt das Ergebnis jedes einzelnen Wurfs im Kopf und suchte nach dem übergeordneten Muster, das sich zum Schluß ergeben würde; er bemühte sich, es zu verstehen, egal, ob er an dessen Symbolträchtigkeit glaubte oder nicht. Das Zeremoniell des Fragens und Antwortgebens war das gleiche, das man auch drunten in der Survey-Halle benutzte, wenn dort offizielle Treffen stattfanden. Aber die Fragen, die man hier stellte, lauteten anders, und auch die Antworten waren nicht dieselben.
    Früher hatte er geglaubt, die Rituale in der Loge seien vollkommen ohne Bedeutung. Doch diese sich wiederholende Zeremonie sang in seinem Kopf: Ordnung und Chaos, das zufällige Wirken des Schicksals, ein heikler Balanceakt nach den universellen Gesetzen der Bewegung. Wieder fiel ihm der Ondineaner ein. Er hob den Blick vom Spielbrett und schaute durch das große Fenster zur Halle; in diesem Augenblick formten die fallenden Steine ein Muster und stoben gleich darauf wieder auseinander.
    »Wer hat diese Gemeinschaft ins Leben gerufen, uns Pflichten auferlegt und uns die Macht des Wissens gezeigt?« fragte Kitaro.
    »Mede«, antwortete Abbidoes neben ihm.
    Gundhalinu blickte auf das Spielbrett und nahm die Steine in die Hand. »Ilmarinen.« Indem er die Steine warf, sprach er den Namen seines Ahnen aus. Er beobachtete, wie die Steine fielen, und stutzte, als das Muster in seinen Gedanken sich leicht veränderte. »Vanamoinen murmelte er wie ein Echo Kitaros, die neben ihm saß und die korrekte Antwort gab.
    Wieder spähte Gundhalinu durch das Fenster, ungeachtet der tadelnden Blicke, die einige Leute ihm zuwarfen. Halb rechnete er damit, daß ein Gesicht ihm entgegenstarrte – durch ein Tuch verborgen, die Haut schwarz gefärbt, die Augen ein intensives Indigoblau, aber mit dem brennenden Blick eines Wahnsinnigen.
    Das Fenster blieb leer. Aber er hatte Kullervo tatsächlich gesehen:
Kullervo; Kullervo war hier.
Er biß sich auf die Lippe, um den Namen nicht laut hinauszuschreien und das Ritual endgültig und auf unverzeihliche Weise zu stören. Er kämpfte um seine Selbstbeherrschung, erkannte die Bedeutung des Musters, und wußte, wie wichtig es war, die Konzentration der Gruppe nicht zu blockieren.
    Er spielte seine Rolle in der Zeremonie, streute Spuren wie Spielsteine und deutete ihr Schema ... Heute abend war Kullervo hiergewesen in Verkleidung ... und nicht zum erstenmal. Aber Kullervo gehörte zur Bruderschaft ... Es gab Strömungen in der Loge, die durch die Macht des Wissens korrumpiert waren; Cliquen nutzten geheime Informationen und Einfluß, um ganze menschliche Gemeinschaften zu vergiften und zu destabilisieren, stärkten in dem entstehenden Chaos ihre Machtpositionen und heimsten Gewinne ein. Es waren Personen, die die ursprünglichen Werte und Überzeugungen der Loge pervertiert hatten ... Sie waren für die Ermordung seiner Brüder verantwortlich und hatten versucht, seine Rückkehr nach Tiamat zu verhindern.
    Wieso war Kullervo an diesem Abend hierhergekommen und hatte – absichtlich, davon war er überzeugt – seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt? Plötzlich fiel Ihm das Fläschchen auf dem Kaminsims ein. Selbst wenn Kullervo es nicht selbst dort hingestellt hatte, er sorgte dafür, daß er es überhaupt bemerkte.
Wieso?
fragte sich Gundhalinu. Kullervo arbeitete für die Bruderschaft; er war auf biotechnischem Gebiet ein Genie und wußte mehr über Technoviren als jeder andere lebende Mensch in der Hegemonie.
    Blitzartig kam ihm die Erleuchtung:
Es ging um das
Wasser des Lebens.
Die Bruderschaft war hier bereits am Werk, schlich sich in die neue Gesellschaft ein, und er hatte es versäumt, Vorsichtsmaßnahmen dagegen zu treffen. Die Bruderschaft begehrte das Wasser des Lebens für sich selbst – und Reede Kullervo sollte es beschaffen.
    Trotzdem blieb die Frage offen, was Reede Kullervo in der Survey-Halle gesucht hatte? Wahrscheinlich wollte er spionieren, herausfinden, wie stark und organisiert seine Feinde waren. Doch er hatte bewußt

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