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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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er wußte, daß er damit alles nur schlimmer machen würde.
    »Du weißt selbst nicht, was du eigentlich willst.« Sie drehte sich um und ging zu einer Schrankwand. Nachdem sie eine Frage eingetippt hatte, öffnete sich ein Modul, und sie nahm etwas heraus. Als sie zu Tammis zurückkam, hielt sie ein Blatt mit einer Reihe von medizinischen Pflastern in der Hand. »Hier:, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Nimm das mit und klebe dir eine Woche lang jeden Tag ein Pflaster auf die Haut. Du bist geschlechtskrank.«
    Er wurde rot; mit tauben Fingern nahm er ihr die Pflaster aus der Hand. »Woher weißt du das?« flüsterte er fassungslos.
    Ihr Blick wurde kalt und starr. »Weil du mich angesteckt hast.«
    Er schloß die Augen.
    »Wenn du dich einmal entscheiden solltest, was du wirklich willst, können wir uns wieder unterhalten. Vorher nicht.« Ihr Mund bebte, aber er sah ihr an, daß sie es ernst meinte und nicht nachgeben würde.
    Der Kummer schnürte ihm die Kehle zu. Er wandte sich ab und verließ den Raum.
     

TIAMAT
Karbunkel
    M ond Dawntreader stand allein zwischen den Docks, die wie Seetang auf dem glatten Meer unter der Stadt trieben. Sie schaute auf das grünschwarze Wasser hinab, das zwischen den Lücken im Pier schwappte, und sie daran erinnerte, wie instabil der Grund war, auf dem sie stand. Öllachen und fremdartige, nicht zu identifizierende Absonderungen malten schillernde Muster auf die undurchdringliche Schwärze zwischen den verankerten Schiffen. Mond beobachtete, wie die Farbenspiele sich ständig veränderten; sie lauschte den vertrauten Rufen und den hallenden Geräuschen, sog die Düfte des Ozeans und der Schiffe ein, und verspürte so etwas wie Nostalgie.
    Doch sie sehnte sich nicht mehr nach der Vergangenheit zurück, es drängte sie nicht, wie früher, die Stätten ihrer Kindheit aufzusuchen. Sie hatte auch nicht mehr das Gefühl, ihr Leben in der Stadt sei nichts weiter als ein langer Traum. Ihre alte Welt gab es nicht mehr; nicht nur das sich ändernde Klima und der Wandel in der Bevölkerung hatten sie verdrängt, sondern die Jahre selbst, die Abertausenden Augenblicke, die sich wie vom Wind angetriebener Sand über ihre Erinnerungen legten. Jetzt konnte sie sich das Mädchen, das sie einst gewesen war, nicht mehr vorstellen: das Mädchen, das nie in einer Stadt leben wollte, sondern tagaus, tagein, den Wind, die Sonne und den Regen auf der Haut spüren wollte; das Mädchen, das an die Meeresmutter glaubte, und fest davon überzeugt war, daß SIE über ihrer aller Leben wachte und jedes Gebet hörte. Im Laufe
    der Zeit waren diese Erinnerungen verblaßt, bis ihr jetziges Dasein ihr ganz natürlich vorkam.
    Den Blick hebend, spürte sie Karbunkels Gegenwart; wie eine gigantische Muschel wölbte sich die Stadt über dem Hafen. Doch in diesem Moment empfand sie diese allumfassende Umarmung nicht als tröstlichen Schutz, sondern sie kam ihr erdrückend und bedrohlich vor, wie ein heranrückendes Unwetter. Ihr rastloser Blick wanderte zur Rampe, die von der Stadt in den Hafen hinabführte, und endlich erspähte sie Capella Goodventures vertraute Gestalt. Sie erinnerte sich daran, wie sie schon einmal hier gestanden hatte – ein halbes Leben war es her –, sie, die neuerwählte Sommerkönigin, die Zeit brauchte, um Frieden zu schließen mit Funke ... – und mit dem Meer. Damals hatte Capella Goodventure sie verfolgt wie ein Schatten, sie hatte ihr nachspioniert und sie verurteilt.
    Doch nun mußte sie mit Capella Goodventure unter vier Augen sprechen; hier, bei den Docks, waren sie ungestörter als an jedem anderen Ort in der Stadt, und unbeobachteter als im Palast. Ihre Leibwachen, die sie seit der Rückkehr der Außenweltler ständig begleiteten, hielten sich in respektvoller Entfernung und beobachteten aufmerksam die Umgebung.
    Capella Goodventure erreichte sie und begrüßte sie mit einem Kopfnicken. In ihrem Blick lagen Respekt und ein gewisser Anflug von Herzlichkeit. »Was willst du von mir, Herrin?« fragte sie neugierig.
    »Ich brauche deine Unterstützung, aber nicht für mich selbst, sondern für die Mers. Der Oberste Richter hat das Jagdverbot aufgehoben.«
    Capella Goodventure kniff die Lippen zusammen. »Ich wußte, daß es so weit kommen würde. Hinter seiner scheinheiligen Fassade ist er nichts weiter als ein Außenweltler.«
    Mond verbiß sich eine Erklärung; während sie vorhin durch die Straßen Karbunkels schritt, waren ihr genau die gleichen Vorurteile und Anschuldigungen

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