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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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daß er schon seit geraumer Zeit versuchte, sich bei ihm bemerkbar zu machen. »Ihr müßt ja eine tolle Nacht hinter Euch haben«, flüsterte Vhanu und blickte amüsiert drein. »So habe ich Euch noch nie gesehen.«
    »Ihr habt recht«, murmelte Gundhalinu abwesend.
    »Ich habe mich auch ausgezeichnet unterhalten«, fuhr Vhanu schmunzelnd fort. »Es ist wirklich ein höchst interessanter Brauch.«
    »Na ja«, meuterte Sandrine hinter ihnen. »Aber ich finde es barbarisch, daß sie uns am nächsten Tag im Morgengrauen aufstehen lassen, nur damit wir uns diesem kalten Wind aussetzen und zusehen, wie sie Strohpuppen ins Meer werfen.« Die anderen Leute in seiner Nähe hatten die Masken längst abgenommen, wie wenn es ihnen peinlich wäre, sie bei Tag und zu einem offiziellen Anlaß zu tragen.
    Ein Karren in Schiffsform rumpelte behäbig die Rampe herunter, begleitet von Sommerleuten in traditioneller Tracht; die Gewänder wiesen alle Schattierungen von Grün auf und waren mit Stickereien und polierten Muscheln verziert. Sie trugen Blumenkränze und Girlanden und stimmten einen klagenden Sprechgesang an, der in den Ohren der Außenweltler fremdartig klang.
    Der Karren beförderte zwei starr dasitzende, maskierte Passagiere. Eine Maske war die, die Mond in der letzten Nacht getragen hatte – die Maske der Sommerkönigin. Die andere funkelte und glitzerte heftig wie eine Sonne – es mußte Funkes Maske sein, dachte sich Gundhalinu. Als der Karren langsam näher kam, entdeckte er die Stricke, mit denen die beiden Gestalten an die Sitzbank gebunden waren.
    Er betrachtete die Königin und ihren Gemahl, die auf einer anderen Tribüne standen, wie um sich zu vergewissern, daß das Paar auf dem Karren auch wirklich zwei Strohpuppen waren und keine menschlichen Wesen. Eine Zeitlang erwiderte Mond seinen Blick, ehe sie sich wieder dem Karren mit seinen maskierten Insassen zuwandte. Sie umfaßte ihre Arme, wie wenn sie sich von ihrer eigenen Realität und Sicherheit überzeugen müßte.
    Auf dem freien Platz, dicht am Wasser, kam der Karren zum Stehen. Mond verließ die Tribüne und schritt zum Pier hinunter; das Getuschel und Geraune der Leute verstummte. Überall in der Stadt verfolgten Menschen diesen Höhepunkt des Festivals auf Monitoren. Gundhalinu fragte sich, wie viele von ihnen wohl glaubten, der Vorgang wäre echt – das zeremonielle Schiff, das von den Palasttoren bis hierher gerollt war, würde tatsächlich zwei lebendige Menschen dem Tod durch Ertrinken anheimgeben. Und zu gern hätte er gewußt, wie viele der Zuschauer den echten Opfertod der Schneekönigin und ihres Starbuck damals miterlebt hatten.
    Beim letzten Festival hatte er im Krankenhaus eine Lungenentzündung auskuriert, die er sich während seiner Gefangenschaft bei den Winternomaden zugezogen hatte. Während er die Strohpuppen anstarrte, war er plötzlich froh, daß er nicht dabeigewesen war, als Mond den Befehl ausgesprochen hatte, Arienrhod ins Meer zu werfen. Was mochte sie empfunden haben, als ihre Mutter, ihre Rivalin, ihr Ebenbild, vor ihren Augen ertrank? Er fragte sich, was sie jetzt wohl fühlte, und woran sie sich erinnerte, wenn sie diese harmlose Nachahmung des richtigen Opfers inszenierte – die zu eine echten Menschenopfer eskaliert wäre, wenn er nicht eingegriffen und es verhindert hätte. Mit starrer Miene fixierte sie die maskierten Strohpuppen.
    Indem er Mond ansah, konnte er sich gut in sie hineinversetzen, und eine plötzliche Aufwallung von Mitgefühl machte ihn schwindelig. Am liebsten wäre er zu ihr gelaufen und hätte sie in die Arme genommen, um ihre Qual zu lindern und ihr Halt zu geben. Doch er blieb, wo er war, auf der bändergeschmückten Tribüne, der Inbegriff von Gleichgültigkeit und offizieller Etikette.
    Mond riß sich vom Anblick der Strohpuppen los, betrachtete die wartende Ehrengarde von Sommerleuten, die den Inhalt des Karrens, der mit Opfergaben für die Meeresmutter voll beladen war, bewachten. Abermals wandelte sich ihr Gesichtsausdruck. Er folgte ihrem Blick und schaute in den Karren, in dem sich Grünzeug und alle möglichen sonderbaren Gegenstände häuften. Dann entdeckte er, was ihren Unmut erregt hatte: eine Festmaske mit einem Spiegel als Gesicht, das von mitternächtlicher Schwärze umrahmt war – seine Maske, die er im Palast zurückgelassen hatte. Das Gesicht war zerschmettert, der Spiegel ein Netz aus tausend Frakturen, wie wenn jemand sie absichtlich zerschlagen hätte, bevor sie in der Tiefe

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