Tief im Herzen: Roman (German Edition)
einer Säge, der scharfe Geruch von Maschinenöl, das Geräusch von Hammerschlägen, das Glitzern von Messing, das Knarren der Takelage. Er sah bereits vor sich, wie die Sonne schräg durch neue, saubere Fenster auf das Skelett einer Schlup fiel.
»Wir müssen wohl ein paar Wände für ein Büro hochziehen«, sagte Cam. Seth lief hierhin und dorthin, erkundete und schwärmte. »Wir müssen Pläne zeichnen.«
»Dieses Gebäude ist eine Müllkippe«, bemerkte Phillip.
»Ja, deswegen werden wir es billig kriegen. Wir stecken ein paar tausend Dollar in die Reparatur …«
»Besser, wir lassen es abreißen und fangen von vorn an.«
»Phil, jetzt versuch mal, deinen wilden Optimismus zu dämpfen.« Cam wandte sich an Ethan. »Was meinst du?«
»Könnte gehen.«
»Was wird dieses Monstrum von Gebäude tun?« Entnervt
hob Phillip die Hände. »Einstürzen und uns unter sich begraben.« In diesem Augenblick krabbelte eine Spinne – ungefähr so groß wie ein Chihuahua, schätzte Phillip – über seine Schuhspitze. »Gebt mir einen Revolver«, murmelte er.
Cam lachte nur und schlug ihm auf den Rücken. »Fahren wir zu Claremont.«
Stuart Claremont war ein kleiner Mann mit harten Augen und einem verkniffenen Mund. Die Häuser, die ihm in St. Christopher gehörten, waren zumeist völlig verwahrlost. Wenn seine Mieter sich laut genug beschwerten, ließ er sich hin und wieder widerwillig dazu herab, die Sanitäranlagen oder die Heizungen instandzusetzen oder ein Dach zu flicken.
Er glaubte daran, sein Geld für schlechte Zeiten zusammenhalten zu müssen. Und in Claremonts Augen waren die Zeiten nie gut genug, um sich ohne Not von einem einzigen Cent zu trennen.
Dennoch war sein Haus in der Oyster Shell Lane eine wahre Sehenswürdigkeit. Jeder in St. Chris wußte, daß Nancy, seine Frau, mit ihrem Genörgel alles erreichte. Sie hatte die Hosen an.
Der Teppichboden war dick und weich, die Wände hübsch tapeziert. Die Rüschenvorhänge waren auf die verspielten Polstermöbeln abgestimmt. In militärischer Ordnung lagen Zeitschriften auf einem glänzenden Kirschholztisch, der zu den entsprechenden Beistell- und Klapptischen paßte.
Im Haus der Claremonts ergänzte sich alles. Jedes Zimmer wirkte wie ein Bild aus einer Zeitschrift. Wie ein Bild, dachte Cam, aber nicht lebendig.
»Also, Sie sind an der Scheune interessiert.« Mit einem Grinsen, das seine Zähne verbarg, führte Claremont sie in sein Arbeitszimmer. Es war im englischen Landhausstil eingerichtet. Die dunkle Holztäfelung war mit Jagddrucken dekoriert. Es gab tiefe Polstersessel aus weinrotem
Leder, einen Schreibtisch mit Messingbeschlägen und einen in einen Gasofen umgewandelten Backsteinkamin. Der Großbildfernseher wirkte fehl am Platz, war aber typisch für seine Besitzer.
»Gewissermaßen«, antwortete Phillip. Auf der Fahrt war beschlossen worden, daß er die Verhandlungen führen sollte. »Wir sehen uns gerade nach einem Gebäude um.«
»Ein großartiger alter Bau.« Claremont ließ sich an seinem Schreibtisch nieder und bat sie, sich zu setzen. »Sehr geschichtsträchtig.«
»Ja, sicher, aber in diesem Falle sind wir nicht an der Geschichte interessiert. Das Gebäude scheint zu einem großen Teil verfallen.«
»Ein wenig, ein wenig.« Claremont winkte mit seinen Stummelfingern ab. »Sie leben doch hier, was haben Sie den anderes erwartet? Habt ihr Jungs vor, irgendein Geschäft zu eröffnen?«
»Wir denken darüber nach. Wir sind noch in der Planungsphase.«
»Aha.« Claremont glaubte ihm nicht, denn dann würden die drei ihm jetzt nicht gegenübersitzen. Während er überlegte, welche Miete er für dieses Objekt herausschlagen konnte, das für ihn nur ein ärgerlicher Ballast war, musterte er Seth. »Na schön, reden wir darüber. Vielleicht will der Junge ja so lange nach draußen gehen.«
»Nein«, sagte Cam, ohne zu lächeln. »Wir reden alle gemeinsam darüber.«
»Wenn Sie es so haben wollen.« So war das also, dachte Claremont. Er konnte es kaum erwarten, Nancy davon zu erzählen. Na, er hatte jetzt Gelegenheit, den Jungen ganz in Ruhe und von nahem zu betrachten. Selbst ein halbblinder Idiot konnte in diesen Augen Ray Quinn wiedererkennen. Den heiligen Ray, dachte er säuerlich. Es sah so aus, als wäre der Große Quinn gestrauchelt, o ja, Sir. Und es würde ihm großen Genuß bereiten, die Leute darüber aufzuklären, wie es stand.
»Ich habe an einen Fünfjahresvertrag gedacht«, sagte er zu Phillip und schätzte damit
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