Tief im Hochwald - Kriminalroman
Mittelfinger abgeschnitten worden sein könnte, zu Protokoll gegeben, dass ihrem Sohn seit einem Unfall in der Wurstküche ein Stück der Fingerkuppe fehlte. Dieser Finger entsprach in seiner Beschaffenheit dem, wie Vanessa die Hand des Metzgers in Erinnerung hatte.
»Ich glaube nicht, dass die Uhrzeit ein Zufall ist. Das war genau der Zeitpunkt, an dem der Beisetzungsgottesdienst begonnen hat«, sagte Vanessa, als sie Landscheid den Eintrag zeigte. »Das wussten zwar vorab nur die, die gestern in der Gaststätte ›Zur Post‹ waren oder mit Jungbluts Kontakt hatten, aber wenn ich bedenke, wie viele Leute heute Morgen in der Kirche waren, muss die Nachricht seit gestern eine beachtliche Anzahl an Leuten erreicht haben.«
»Ist das der Finger von Thomas Jungblut?«, fragte Thorsten, was Vanessa zeigte, dass ihr Kollege bei sich zu Hause die wahren Gründe verraten hatte, aus denen die Beisetzung verschoben worden war. Somit konnten viele davon wissen, nämlich alle, die in der Gerüchteküche mitgekocht hatten. Zum Glück kam die nächste Zeitung erst am morgigen Montag heraus, sodass niemand schon zusätzliche Informationen aus der Tagespresse haben konnte.
»Ich gehe im Moment davon aus, dass es der Finger von Herrn Jungblut ist, ja.«
Da sich die beiden Landscheids im Wald auskannten und Vanessa keine konstruktive Hilfe von ihrem leichenblassen Kollegen erwartete, schlug sie vor, dass die beiden schon einmal zurück auf den befahrbaren Weg gehen sollten, um die Kollegin von der Kriminaltechnik zu ihr lotsen zu können. Sie könnten auch schon gern nach Hellersberg zurückfahren, sie komme später mit den Trierer Kollegen nach. Landscheid und Thorsten waren froh, den Fundort des abgetrennten Fingers verlassen zu können.
Vanessa ging ebenfalls ein Stück den Waldweg entlang in Richtung Straße, bis die Bäume um sie herum nicht mehr ganz so dicht standen und sie wieder Handyempfang hatte. Sie schrieb Gunter Hermesdorf in einer SMS , dass sie einen Finger gefunden hätten, der aufgrund der Beschaffenheit, der Erde unter dem Fingernagel und der verheilten alten Verletzung auf den ersten Blick dem gestrigen Todesopfer zuzuordnen sei.
Vanessa nahm noch einmal das Logbuch aus der Tüte, um zu prüfen, wann der letzte Fund zuvor geloggt worden war. Ein Eintrag, den sie auch schon im Internet beim Ausdrucken der Cachebeschreibung gelesen hatte, war vom Freitag. Aber da war ein weiterer Eintrag vom Samstagnachmittag, verfasst in holländischer Sprache. Die betreffenden Cacher verbrachten vielleicht aktuell ihren Urlaub in dieser Gegend und hatten ihren Fund bislang nicht im Internet eingetragen. Demnach musste Thomas Jungbluts Mörder definitiv in den vergangenen vierundzwanzig Stunden hier gewesen sein. Da Wildschweine vor allem nachtaktiv waren, konnte es gut sein, dass der Finger bereits gestern Abend in die Dose gelegt worden war, als zu vermuten stand, dass niemand mehr auf Schatzsuche sein dürfte. Das wiederum bestätigte Vanessa in ihrem Verdacht, dass es sich bei dem Täter um jemanden handeln musste, der den Wald gut kannte und den Cache womöglich schon früher einmal gemacht hatte. Auf der ersten Seite des Logbuches stand allerdings: »Logbuch IV «. Damit kamen alle Cacher aus diesem und den vorherigen Logbüchern in Frage. Vanessa sah anhand der Cachebeschreibung, dass der Cache schon seit drei Jahren an dieser Stelle lag, und es konnte somit schon lange her sein, dass der Täter diesen Cache selbst gefunden hatte. Womöglich hatte der Mörder sich jetzt daran erinnert und beschlossen, ihn als Versteck für Finger und Kette zu nutzen. Ihn unter den anderen Cachern ausfindig zu machen, wäre die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Sie könnte aber zumindest die Logs im Internet nachlesen und auch den Cacheowner kontaktieren, um die Logbücher anzufordern und gegebenenfalls Handschriften zu überprüfen.
Vanessa sah Bernadette und daneben ihren Freund Ingo, der den Metallkoffer zur Spurensicherung trug, auf sich zukommen.
»Hallo, wo habt ihr denn das Bärchen gelassen?«
»Wenn wir als Saarbärchen unterwegs sind, muss das andere Bärchen meist zu Hause bleiben«, erklärte Bernadette. »Ein Dobermann ist ja nicht so ganz unauffällig, und wenn wir nicht von Muggeln entdeckt werden wollen, ist das ohne Hund einfacher. Außerdem sind im Moment so viele Wildschweine im Wald, und während Ingo cacht, kann ich unmöglich den Hund halten, falls der die Fährte eines Schwarzkittels
Weitere Kostenlose Bücher