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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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das Herz.
     
    Der Nachmittag im Schwimmbad hatte vieles verändert. Eigentlich hatte er sogar alles verändert, auch wenn das zunächst nicht offensichtlich geworden war.
    Das, was viele Jahre hinter den Gitterstäben gelauert hatte, war entkommen. Endlich! In den Tagen danach hatte es sich noch schwach gefühlt, doch mit jedem Tag, den es länger unentdeckt in Freiheit verbrachte – und er sorgte dafür, dass es unentdeckt blieb – wurde es stärker. Es schien seine Kraft aus den Menschen zu saugen, mit denen er sich umgab.
    Großer Gott, was war das für ein atemberaubendes Gefühl!
    So berauschend, dass er sogar die Quälereien des Vaters als lächerlich empfand, spürte er doch, dass diese bald ein Ende haben würden. Doch erst einmal entwickelten sich die Tage, die auf den Nachmittag im Schwimmbad folgten, zu den schlimmsten seines Lebens. Gerade weil seine Mutter viel mehr zu leiden hatte als er selbst, er ihr aber nicht helfen konnte – noch nicht. Der Vater bestrafte sie grausam, weil sie es gewagt hatte, sich vor ihren Sohn zu stellen, ihn zu verteidigen, zu behaupten, er habe den Vater nicht absichtlich getreten, würde so etwas niemals tun.
    Wie gern hätte er dazwischengebrüllt, dass es sehr wohl Absicht gewesen war und dass es ihm Freude bereiten würde, die Eier des Vaters mit einer Rosenschere abzuschneiden.
    Dieser Gedanke hatte ihn beim ersten Mal nur kurz
durchzuckt wie ein Blitz, war so schnell verschwunden wie er gekommen war, doch endgültig verblasst war er dann doch nicht, hatte sich in seine Fantasie eingebrannt, und so stellte er sich immer und immer wieder vor, wie er die Rosenschere mit dem roten Griff aus der untersten Schublade in der Küche nahm, sich vor den nackten, an seinen Fernsehsessel gefesselten Vater stellte, um ihm langsam und genüsslich den Hodensack in kleinen Stücken abzutrennen. Danach den Penis, dieses lange eklige Ding, das er immer und immer wieder in die Mutter steckte. Auch den würde er stückweise abkneifen.
    Die Schreie! Wie herrlich würden die Schreie in seinen Ohren klingen!
    Zunächst aber blieb es Fantasie.
    Eine Woche lang bekam die Mutter jeden Abend, sobald der Vater von der Arbeit nach Hause kam, Prügel. Der geringste Anlass war Grund genug. Danach betrank der Vater sich und steckte seinen Penis in sie, ihr Wimmern und Schreien ignorierend.
    Er wusste genau, warum der Vater ihn selbst in Ruhe ließ, ihn nicht einmal ansah. Er war perfide und gemein, und es bereitete ihm Freude, dass er mit einem Faustschlag zwei Menschen gleichzeitig treffen konnte. Der Sohn wusste aber auch, dass der Tag kommen würde, an dem die Faust wieder in seine Richtung flog. Allzu lange würde es nicht dauern, denn so gemein wie der Vater war, so ungeduldig war er auch.
    Also wartete er. Wenn er aus der Schule nach Hause kam, aß er mit seiner Mutter zu Mittag, machte Hausaufgaben mit ihr, ließ sich von ihr trösten und tröstete gleichsam sie, und verschwand am frühen Abend in seinem Zimmer. Dort, abgeschieden und heimlich, nährte er sein zweites
Ich, pflegte und hegte es, und hing seiner Fantasie von der Rosenschere mit dem roten Griff nach. Immer detaillierter wurde sein Plan, und alsbald begann er, Dinge zu besorgen, von denen er meinte, dass er sie brauchen würde. Nachts lag er auf seinem Bett, presste sich Kissen auf die Ohren, um die Schmerzensschreie seiner leidenden Mutter nicht so laut hören zu müssen, und verging fast vor Wut und Ungeduld.
    An einem Abend kam der Vater nicht nach Haus.
    Das war keine Seltenheit.
    Eine Stunde hatten sie mit dem Abendessen auf ihn gewartet, gehofft, gebangt. Dann war klar, dass er nicht mehr kommen würde. Sich in Sicherheit wiegend hatte Mutter ihn geduscht und seinen Körper mit ihrem Lieblingsöl eingerieben. Später kuschelten sich Mutter und Sohn im Bett des Kindes zusammen. Sie lag hinter ihm, presste sich ganz dicht an ihn und strich ihm immer wieder übers Haar. Dabei weinte sie geräuschlos. Er spürte die Hitze ihrer Tränen. Sie waren heißer als Feuer, heißer als die Sonne, und sie schrien nach der grausamsten Rache, derer ein Mensch überhaupt fähig war.
    Obwohl er nicht mit seiner Mutter darüber hatte sprechen wollen, waren in dieser Situation, die seine Seele schier zerriss, die Worte aus ihm herausgesprudelt.
    »Würdest du ihn vermissen?«
    Sie verstand nicht gleich.
    »Würdest du ihn vermissen, wenn er nicht wiederkommen würde?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich werde ihn töten!«
    Sie waren heraus,

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