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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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gewesen, so dass ihr Anblick im Krankenhausbett fürchterlich war und Nele Karminter tief in Herz und Seele schmerzte.
    Nach und nach mischten sich jetzt aber auch Zuversicht und Freude in den Schmerz und vertrieben ihn immer häufiger. Freude darüber, sie nicht verloren zu haben. Zuversicht, da sie sich auf dem Wege der Besserung befand und keine bleibenden Schäden zu erwarten waren – zumindest keine körperlichen. Ihr psychischer Zustand war noch unbekannt, denn seit sechs Tagen lag Anou im künstlichen Koma. Ihre Verletzungen waren derart, dass der Chefarzt entschieden hatte, sie in den künstlichen Schlaf zu versetzen, um die Heilung zu beschleunigen.
    Der Stich in den Oberarm war noch die harmloseste Verletzung, obwohl Anou an dem Blutverlust fast gestorben wäre. Zwei Rippen waren gebrochen, eine hatte mit ihrem spitzen Ende Zwerchfell und Lunge verletzt – das war ernst. Außerdem hatte sie eine starke Gehirnerschütterung davongetragen und einige schmerzhafte Prellungen. In all dem ging die Zunge, von der ein kleines Stück fehlte, als Kleinkram
unter. Morgen, so hatte der Arzt Nele vorhin versprochen, würden sie Anou aus dem Koma holen. Ihr Zustand war stabil genug, sie konnten es jetzt gefahrlos wagen.
    Nele stand am Fußende des riesigen Bettes und betrachtete Anouschka.
    In der Nacht ihrer Einlieferung hatte es auf der Kippe gestanden, doch Anou hatte gekämpft. Ihr eiserner Wille hatte sie über die entscheidenden Stunden gebracht. Nele bildete sich ein, dass auch sie der Grund dafür war. Sie hoffte, dass sie es war. Noch wusste sie nicht, was genau Anou in der Zeit, in der sie in Karel Murows Gewalt gewesen war, durchgemacht hatte. Ohne Frage war es schlimm gewesen, wahrscheinlich sogar traumatisch, trotzdem hoffte Nele, dass es ihre Freundin nicht zu sehr verändern und sie irgendwann wieder die Alte sein würde.
    In den ersten Tagen und Nächten war in Neles Kopf ein heilloses Durcheinander gewesen, doch das hatte sich gelegt. Die ruhigen, langen Stunden in diesem Zimmer an ihrem Bett waren auch für Nele eine Erholung gewesen. Anfangs hatte sie viel geweint, doch manchmal hatten Tränen auch eine reinigende Wirkung. Nele hatte ihre Empfindungen sortiert und unter Kontrolle gebracht und wusste nun genau, was sie wollte. Solange es gut ging, solange sie sich liebten, wollte sie mit Anouschka zusammenleben. Die beruflichen Konsequenzen waren Nele jetzt egal. Sie hatte schmerzhaft gelernt, wie schnell eine Beziehung, die so wunderschön und leidenschaftlich begann, enden konnte, ohne dass man die Zeit gehabt hatte, es wirklich miteinander zu versuchen. Kein Job der Welt war es wert, dafür sein Glück aufs Spiel zu setzen!
    Nele umrundete das Bett, beugte sich hinunter und hauchte Anou einen sanften Kuss auf die Stirn.

    »Bis morgen, Süße … morgen sehen wir uns wieder.«
    Sie strich ihr die Haare zurück, spürte ein aus tiefer Zuneigung geborenes Lächeln über ihr Gesicht huschen und wandte sich ab. Solange es dauerte, zur Tür zu gelangen, war sie sehr glücklich und sehr verliebt.
    Schließlich zog sie leise die Tür des Zimmers hinter sich zu, fand sich im hellen Licht des Ganges wieder und wurde angestarrt von dem bulligen Beamten in Uniform, der an der gegenüberliegenden Wand lehnte. Das Glücksgefühl verschwand augenblicklich und machte der harten Realität Platz.
    Der Beamte schob einen Kaugummi von einer Backe in die andere. Schwer hing die Dienstwaffe an seinem Gürtel. Seine breiten Schultern und die kräftigen Brustmuskeln spannten das Uniformhemd. Er trug die blonden Haare extrem kurz geschnitten. Ein Mann aus Borrmanns Truppe. Ein Profi der Selbstverteidigung, des lautlosen Tötens, vor allem aber auch des Argwohns und der Wachsamkeit.
    »Geht’s ihr gut?«, fragte er schmatzend.
    Nele nickte. »Unverändert. Morgen wird sie geweckt.«
    »Schön. Wirklich, das freut mich.«
    Nele schenkte ihm ein Lächeln. »Passen Sie mir gut auf sie auf heute Nacht.«
    Er drückte den Rücken durch und richtete sich zu voller Größe auf. »Solange ich auf sie aufpasse, wird ihr niemand jemals wieder etwas antun. Darauf können Sie Gift nehmen.«
    Das war kein blöder Machospruch. Nele spürte, dass der Mann, dessen Namen sie nicht kannte, es ernst meinte. War er in den Katakomben dabei gewesen? Hatte er Anouschka nackt und so entsetzlich zugerichtet gesehen? Wenn ja, dann war seine Reaktion verständlich, und Nele konnte
sich darauf verlassen, dass er Murow den Hals umdrehen würde,

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