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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Großes am Boden. Sie strauchelte, konnte sich fangen und drehte sich herum. Worüber war sie da gestolpert? Es hatte sich weich, nachgiebig angefühlt.
    Am Boden lag ein Körper. Nele wusste, wer es war, noch ehe ihr Verstand es akzeptierte.
    Tim Siebert.
    Weit aufgerissen seine Augen, weit aufgeschnitten sein Hals. Bleich, ohne Blut, ohne Leben.
    Neles Herz verkrampfte sich.
    »Nein!«, stieß sie heiser aus.
    Hendrik, der ihr etwas langsamer gefolgt war, ließ sich neben der Leiche auf die Knie fallen und tastete nach dem Puls. Warum tat er das? Tim war ohne jeden Zweifel tot.
    Nele wandte sich ab.
    Anou!
    Sie lag nicht hier, also war sie noch immer in seiner Gewalt. Vielleicht lebte sie noch, vielleicht wollte er sie als Geisel nehmen, um flüchten zu können. Sie musste sich jetzt um Anou kümmern, um die Lebenden, nicht um die Toten. Nele leuchtete nach vorn, ließ den Lichtkreis über raue Betonwände
wandern und sah erst auf den zweiten Blick die Tür aus schwarzem Metall in der hinteren linken Ecke. Sie lief die paar Schritte hinüber, griff – ohne nachzudenken oder auf eine Falle zu achten – nach der Klinke und zog die Tür auf. Dahinter lag wieder ein Gang. Lang und finster.
    Nele leuchtete hinein.
    Keine zehn Meter entfernt stand eine große Gestalt gebückt zwischen den Betonwänden. Nele leuchtete sie an. Die Gestalt war nackt, ein Mann, nein, eine Frau, aber …
    Noch ehe sie den Gedanken zu Ende bringen konnte, richtete die Gestalt sich zu voller Größe auf und sah sie an. Deren eines Auge schien verletzt zu sein, denn sie hielt es geschlossen. Aber auch ein Auge reichte, um Nele den Blick der Gestalt bis tief in ihre Seele spüren zu lassen.
    Auf dem Boden vor ihm lag Anouschka. Nackt und blut überströmt. Ob sie noch lebte, konnte Nele nicht erkennen.
    Sie riss die Waffe hoch und schrie noch einmal.
    »Polizei! Waffe weg!«
    Der Mann bewegte sich.
    Nele schoss.
    Zweimal.
    Sie schoss so hoch, dass sie unmöglich Anou treffen konnte, zielte aber ansonsten nicht. Es war ihr egal. Sollten die Projektile doch seinen Schädel treffen.
    Plötzlich war er verschwunden.
    Einen Moment war Nele von den Mündungsblitzen und dem Rauch geblendet gewesen, für den Bruchteil einer Sekunde nur, und trotzdem war er verschwunden. Ihre Angst niederkämpfend lief Nele vor, und stürzte neben Anouschka auf die Knie.
    »Anou …!« Ihre zitternden Finger suchten die Halsschlagader, fanden sie, tasteten, fühlten.

    Der Puls war da, schwach, aber vorhanden.
    Blut strömte aus einer klaffenden Wunde in Anouschkas Oberarm, Blut lief ihr aus dem Mundwinkel, Blut lief aus einer Wunde am Kopf, die Nele nicht sehen konnte. Sie sah fürchterlich zugerichtet aus, aber sie lebte.
    Lebte!
    Da!
    Ein Scharren und Schaben, irgendwo voraus in der Dunkelheit. Nele griff nach ihrer Waffe, die sie abgelegt hatte, um Anous Puls fühlen zu können. Hinter sich hörte sie Hendrik die Tür aufreißen.
    »Einen Notarzt, wir brauchen einen Notarzt, sie lebt!«, rief sie ohne sich umzudrehen, drückte sich dann hoch und an Anouschka vorbei.
    »Nele … bleib hier«, rief Hendrik.
    Nele hörte nicht hin. Es fiel ihr schwer, sich von Anou zu trennen, sie dort liegen zu lassen, doch sie wusste auch, dass es gefährlich leichtsinnig war, den Täter nicht zu verfolgen. Er durfte nicht entkommen. Wenn es nach ihr ginge, durfte er niemals wieder das Tageslicht erblicken.
    Er war in einen weiteren Gang geflüchtet, der kurz hinter der Stelle, an der Anou lag, nach rechts abzweigte. Nele leuchtete hinein. So weit der Schein der Taschenlampe reichte, war niemand zu sehen.
    Hinterher, langsamer jetzt, vorsichtig, die Waffe entsichert in Schusshaltung. Jeden Augenblick rechnete sie mit einem Angriff. Wohin führte dieser Gang? Der Täter kannte sich hier aus. Hatte er sich rechtzeitig einen Fluchtweg geschaffen? Führte dieser Gang zu einem Ausgang aus dem scheinbar komplizierten System aus Gängen und Räumen?
    Sie durfte ihn auf keinen Fall entkommen lassen!
    Die Waffe in der rechten, die Lampe in der linken Hand
arbeitete Nele sich vorwärts. Unmittelbar, und ohne dass sie es vorher bemerkt hätte, fand sie sich an einer Kreuzung wieder. Drei Gänge führten in die Dunkelheit. Einer war wie der andere. Nele leuchtete zu Boden. In der dicken Schicht aus Dreck und Staub konnte sie deutlich die Spur erkennen.
    Was war das?
    Sie bückte sich, betrachtete den Fleck genauer.
    Blut. Frisches Blut.
    Er blutete! Entweder hatte Anouschka ihn verletzt, oder

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