Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde
wusste Hendrik, dass die Pressegeier ihn genau darauf festnageln würden.
Er stand in seinem Büro vor dem Spiegel und überprüfte noch einmal sein Aussehen. Hemd, Krawatte, Sakko, alles passte, alles saß. Kleidung, die er sonst nicht trug und in der er sich nicht wohl fühlte. Sollte er tatsächlich eines Tages Polizeichef werden, wäre das der schlimmste Part für ihn. Offizielle Anlässe mit Garderobenzwang.
Hendrik seufzte.
Eigentlich hatte er der Meute da draußen nicht viel zu sagen. Es gab zwei, eventuell sogar drei verschwundene Frauen, einen ermordeten Zuhälter und eine ermordete Nutte. Da mochte es einen Zusammenhang geben oder auch nicht, da mochte ein perverser Serientäter sein Werk begonnen haben oder auch nicht. Spielte keine Rolle. Wenn die Presse ihren Hannibal Lecter wollte, würde sie ihn sich erschaffen. Und nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen konnte Hendrik ihnen das nicht mal ausreden. Schließlich deutete alles darauf hin.
Wieso fanden sie keine Spuren?
So gut konnte der Typ doch gar nicht sein, dass er nicht eine einzige Spur hinterließ!
Ein Blick auf die Uhr. Noch drei Minuten. Er nahm den Ordner vom Schreibtisch, trank rasch einen Schluck Wasser und verließ das Büro. Auf dem Gang traf er Eckert Glanz, der ihn begleitete. Dazu kam noch ein Beamter in Uniform. Das machte sich gut auf den Fernsehbildern, strahlte Autorität und Engagement aus. Sie nickten sich zu. Absprache war nicht nötig, der Einzige, der sprechen sollte, war Hendrik.
Aus dem Presseraum drang eifriges Stimmengemurmel. Als sie die Tür öffneten und eintraten, verstummte es, dafür nahmen jetzt technische Geräusche dessen Stelle ein. Klicken und Klacken, Surren und Ratschen, darunter Hüsteln, Stühlescharren, Schnäuzen.
Dreißig Medienleute waren gekommen. Die meisten von den Printmedien, aber auch vier Fernsehteams.Viele kannte Hendrik von ähnlichen Veranstaltungen. Auch Matschureidt, sein meistgehasster Liebling, war da. Außerdem die Blondine. Von wo war die noch? Ach ja, Abendblatt. Die sah wirklich klasse aus, hatte eine atemberaubende Figur. Hendrik schenkte ihr ein Lächeln und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es für ihn in Frage käme, sie zum Essen einzuladen.
Wahrscheinlich nicht. Schade drum.
Er setzte sich mit seinen Begleitern an den Tisch, nahm selbst dabei die Position in der Mitte ein. Dort klappte er den Ordner auf, schlug eine Seite um, noch eine, blätterte zurück, tat, als ob er gerade etwas Neues entdeckt hätte, und ignorierte dabei die gierige Bande vor sich. Sie warteten schön brav. Wie Schulkinder. Keiner sprach dazwischen. Noch nicht. Schließlich blickte Hendrik auf.
»Also schön, fangen wir an. Sie haben das Memo ja alle bekommen. Sie wissen, wie weit Sie mit Ihren Fragen gehen können. Zum Stand der Ermittlungen kann ich Ihnen Folgendes sagen: Im Bereich des Staatsforstes Mariensee werden zwei Frauen vermisst. Eine 19-Jährige und eine 42-Jährige. Sie wurden jeweils vor einer geschlossenen Bahnschranke in besagtem Waldgebiet entführt. Von den Opfern und dem Täter fehlt jede Spur. Weiter wurden in einem Bordell an der Bundesstraße 211, ganz in der Nähe von Mariensee, eine Prostituierte und ein Zuhälter ermordet. Eine weitere Prostituierte wird vermisst.
Das war’s. Ihre Fragen bitte.«
Es war nicht so, wie man es in diversen Filmen gesehen hatte, es quasselten nicht plötzlich alle auf einmal los. So viel Disziplin hatten sie dann doch. Die Ersten meldeten sich zu Wort, und Hendrik rief einen nach dem anderen auf.
»Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Bordell und den beiden anderen Frauen?«
»Sehen Sie einen?«
Gelächter.
»Natürlich. Insgesamt sind in drei Nächten drei Frauen entführt worden«, sagte der Journalist.
Hendrik nickte. »Falls Sie bei Ihrer Zeitung mal arbeitslos werden, kommen Sie zu uns. Wir suchen immer Menschen, die kombinieren können.«
Abermals Gelächter.
Die Blondine war dran. »Was meinen Sie, gibt es einen Serientäter?«
Da war sie, die Frage. Sie hatte nicht lange auf sich warten lassen. »Das kann ich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht bestätigen.«
»Aber es sieht doch ganz danach aus, oder?« Die Blonde lächelte wirklich verführerisch.
Hendrik hielt sich an den eisernen Grundsatz für solche Konferenzen. Such dir eine Antwort und bleibe dabei, egal was kommt. »Dazu kann ich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nichts sagen.«
»Handelt es sich bei den Morden im Bordell um
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