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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sei sein Gesicht überhaupt nicht von Bedeutung. Reduzierte sich die männliche Erscheinung im Wesentlichen denn nur auf dieses hässliche Anhängsel? War der Trieb stärker als jede andere Kraft im Menschen?
    »Willkommen in meinem Reich, meine Schöne«, sagte er mit sanfter Stimme. Seine Worte hallten leise flüsternd wieder.
    Sie straffte sich. Ihre Nacktheit schien sie nicht zu stören. »Was wollen Sie von mir?«
    Welch wunderschöne Stimme. Exotisch und zugleich verlockend, quasi das Sahnehäubchen auf dem perfekten Körper.
    »Was glaubst du denn?«
    Er ging auf sie zu, blieb aber in respektvollem Abstand stehen. Diesen Zeitpunkt des Sich-Kennenlernens wollte er so lange wie möglich ausdehnen. Es würde niemals wieder so werden wie jetzt. Später, wenn er sich mit ihr eingehend beschäftigte, wäre alles anders.
    »Haben Sie die beiden Frauen an der Schranke entführt?«
    Das war eine dumme Frage. Die Antwort darauf kannte sie. Aber vielleicht wollte sie auch nur die Führende bleiben, indem sie die Fragen stellte.

    »Würde es dich stören, wenn es so wäre?«
    »Wo sind die Frauen?«
    Jetzt hatte er genug. Sie benahm sich ungehörig, als hätte sie hier was zu sagen. Warum war eigentlich keine Angst in ihrer Stimme? Warum zitterte sie nicht und überschlug sich bei den letzten Worten? Vielleicht musste er ein wenig nachhelfen!
    Mit zwei Schritten war er bei ihr, packte mit der rechten Hand ihren Hals und bog den Kopf nach hinten. Sie schrie auf, wehrte sich aber nicht. Ganz dicht befanden sich ihre Gesichter beieinander. Er roch ihren Atem, spürte ihre Haut und blickte tief in ihre Augen.
    Ja, jetzt war Angst darin!
    »Hier stelle ich die Fragen, meine Schönheit, und du würdest gut daran tun, mich nicht zu verärgern.«
    Er drückte ihre Kehle zusammen.
    »Hast du mich verstanden?«
    Sie nickte.
    Er ließ sie los und trat zurück. Sie beugte sich vor, hustete, schnappte nach Luft und sah ihn schließlich wieder an. Nun war ihr Blick nicht mehr so fest wie vorher.
    »Was … was haben Sie mit mir vor?«
    Sie stellte tatsächlich wieder eine Frage. Nun gut, dieses eine Mal wollte er ihr noch verzeihen. Immerhin klang es bittend und bettelnd.
    »Gefalle ich dir?«
    Ihre Augen wurden groß. »Was?«
    Er trat vor und schlug ihr mit der flachen Hand kräftig ins Gesicht. Ihr Kopf schleuderte nach hinten, aber sie nahm es hin, ohne einen Ton von sich zu geben. Schon fixierte sie ihn wieder. Ein wenig Blut lief aus ihrem Mundwinkel.
    Er wiederholte seine Frage.

    »Gefalle ich dir?«
    »Nein.«
    Eine schnelle, entschiedene Antwort. Nun, immerhin war sie ehrlich. Langsam begann das Spiel Spaß zu machen und versprach interessant zu werden.
    »Warum nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht freiwillig hier … ich bin angekettet, und es geht mir nicht gut. Versetzen Sie sich doch in meine Situation.«
    Ihre Situation!
    Sie konnte ja nicht wissen, dass er über Jahre hinweg in einer viel schlimmeren Situation gewesen war. Damals hatte ihn niemand gefragt, wie es ihm gehe oder ob er glücklich sei. Er hatte sich selbst geholfen. Er hatte die Regeln geändert. Ob sie dazu auch in der Lage sein würde?
    »Bedeutet das, du würdest mich schön finden, wenn du dich in einer anderen Situation befändest?«
    Sie ließ sich Zeit mit der Antwort und fixierte ihn dabei. Stundenlang könnte er in diese Augen blicken. Was mochte gerade in dem hübschen Köpfchen vorgehen? Sie legte sich eine Antwort zurecht, so viel stand fest, aber was sie nicht sicher wusste, war, ob sie ihn anlügen, ob sie Psychospielchen mit ihm treiben konnte oder nicht. Gespannt wartete er auf ihre Antwort.
    Sie senkte kurz den Blick, bevor sie zu sprechen begann. »Ich weiß nicht … ich … ich bin etwas verwirrt, mein Kopf tut furchtbar weh, und meine Arme … wenn Sie vielleicht die Ketten abmachen könnten …«
    Aha! Also doch Psycho-Spielchen.
    Na gut. Er war bereit herauszufinden, wohin das führte. »Damit du flüchten kannst?«
    Sie schüttelte den Kopf, stöhnte einmal auf und sah ihn
wieder an. Ihre Augen waren feucht. Gespielte Tränen oder echte?
    »Wenn ich verspreche, nicht abzuhauen, machen Sie mich dann los?«
    Er lächelte. »Findest du es deiner Situation angemessen, zu verhandeln?« Wie lange konnten sie dieses Spiel aus Frage und Gegenfragen noch aufrechterhalten?
    »Nein … nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Sie machen hier die Regeln, ganz bestimmt. Mir … mir geht es nur so schlecht … und, und ich möchte

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