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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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hoffen können. Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.«
    Jetzt musste er laut lachen. »Helfen! Mir! Ja, das kannst du in der Tat. Das tust du schon, ohne dass du dir dessen bewusst bist.«
    »Dann können Sie mich ja auch losmachen, oder?«
    Er streckte seine Hand aus, griff nach ihrem Kinn und streichelte ihre Wange. »Was sollte dir das nützen?«
    Ohne zu blinzeln, sah sie ihn an. Fest. Eindringlich. »Vielleicht könnte ich Sie dann schön finden.«
    Einen Moment noch starrte er sie an, ließ dann ihr Kinn los und wandte sich ab. Er befürchtete, dass sie in seinen Augen lesen könnte. Er wollte nicht, dass irgendjemand darin las, sie schon gar nicht. Nie hatte ihm jemand gesagt, er sei schön, außer seiner Mutter – und auch die hatte ihn letztendlich enttäuscht. Sollte er jetzt darauf eingehen? Seine immer noch schmerzende Kehle erinnerte ihn nur zu gut daran, was passieren konnte, wenn er einer Frau vertraute. Aber diese Schönheit war doch anders! Er spürte es ganz deutlich. Na gut. Was sollte schon passieren.
    Er drehte sich um.
    Das Spiel konnte beginnen.

    Die Wohnung von Karel Murow war unauffällig. Eindeutig lebte hier ein Single, der zwar pedantisch Ordnung hielt, es aber nicht verstand, sich gemütlich einzurichten. Die Möbel waren alt, sehr alt, nach Neles Einschätzung stammten sie noch aus der Zeit, als Murow ein kleiner Junge gewesen war. Trotzdem waren sie gut gepflegt, auch lag kein Staub darauf. Diese Wohnung war bewohnt, aber nicht lebendig. Es gab nichts, was auf ein Hobby oder eine besondere Leidenschaft des Bewohners schließen ließ. Eines stand schnell fest: Die entführten Frauen waren niemals in dieser Wohnung gewesen, folglich hatte Murow ein anderes Versteck, in dem er ungestört tun konnte, was er wollte. Auch gab es hier nichts, was darauf schließen ließ, dass er überhaupt etwas mit dem Fall zu tun hatte. Keine Fotos, keine Kleidungsstücke, keine Souvenirs, die er von seinen Opfern behalten hatte.
    Das Team stellte alles auf den Kopf. Jede Schublade wurde herausgerissen, jede Schranktür geöffnet, jedes mögliche Versteck durchwühlt. Sie gingen nicht zimperlich vor, und sollte Murow wider Erwarten unschuldig sein, stünde ihnen eine saftige Klage ins Haus. Doch Nele war sich sicher, den Richtigen gefunden zu haben. Es war mehr ein Bauchgefühl als eine auf Fakten beruhende Sicherheit, denn die gab es bisher nicht. In diesen vier Wänden lebte Murow das Leben eines anständigen Bürgers, eines unauffälligen Menschen, wie es alle Serien- und Triebtäter auf den ersten Blick waren. In einer Welt hinter diesem ersten Blick lauerte jedoch etwas ganz Anderes, Furchtbares, das konnte Nele förmlich spüren.
    Noch sicherer wurde sie, als ein Beamter in einem Wandschrank die Arbeitskleidung Murows fand. Die gereinigte und ordentlich gebügelte Uniform eines Zugbegleiters der Deutschen Bahn.

    Da war sie, die Verbindung.
    Murow war tatsächlich Zugbegleiter. Die korrekte Uniform betrachtend stellte Nele sich vor, wie er tagtäglich in Zügen unterwegs war, wie er aus Waggonfenstern heraus Menschen beobachtete, die vor einsamen Bahnschranken warteten. Hatte er dabei seine grausamen Pläne geschmiedet? Hatte er vielleicht irgendwo anders früher schon zugeschlagen? Das mussten sie in Erfahrung bringen. Sie mussten so vieles in Erfahrung bringen, aber zuallererst mussten sie Anou finden.
    Neles Handy klingelte, als sie sich gerade bei Borrmann bedankt und sein Team vorläufig entlassen hatte. Sie wies ihn noch an, in Bereitschaft zu bleiben, allein aus der Hoffnung heraus, Murows anderes Versteck heute noch zu finden, dann nahm sie das Gespräch entgegen. Es war Larissa Ernst, die Kollegin, die im Innendienst mit der PC-Recherche beschäftigt war. Nele hörte gebannt zu.
    Eckert starrte sie an, als sie auflegte. »Nicht Anouschka, oder?«, sagte er mit tonloser Stimme.
    Nele schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Spur von ihr. Aber du wirst kaum glauben, was die Ernst am Computer herausgefunden hat.«
    »Machs nicht so spannend. Hat Murow schon mal gesessen?«
    »Nein, das hätten wir dann ja auch früher erfahren. Aber seine Mutter sitzt ein. Sie ist vor zwölf Jahren wegen Mordes an ihrem Ehemann, also Murows Vater, verurteilt worden.«
    »Na toll! Also hat unser Verdächtiger eine verkorkste Kindheit.«
    »Scheint so. Wir fahren sofort hin und unterhalten uns mit der Mutter. Vielleicht hat sie einen Tipp für uns, wo wir ihren sauberen Sohnemann finden können.«

    Im Treppenhaus

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