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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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streifte es ab und warf es in die Ecke. Auch die Jeans sah übel aus. Verschmiert mit einer Mischung aus Blut und Diesel, aufgerissen unter dem rechten Knie. Sie zog sie aus und warf sie zu dem Sweater.
    In BH und Slip stand sie vor dem Spiegel an der Rückseite der Badezimmertür und dachte darüber nach, sich selbst auch in die Ecke zu den ramponierten Klamotten zu werfen. Sie fühlte sich elend und sah auch so aus. Am linken Oberarm und an der Innenseite des rechten Schenkels zeichneten sich beginnende blaue Flecken ab. Der rechte Unterarm war bandagiert; ein wenig Blut war anfangs durch den weißen Mull gesickert und hatte sich bräunlich verfärbt. Ihr kurzes blondes Haar, das knapp über den Schultern endete, war schmutzig und verklebt. Zwischen die Sommersprossen, die vom Nasenrücken dichter werdend
bis unter die Augen verliefen, hatten sich kleine dunkle Spritzer gemischt. Sie wollte gar nicht wissen, von welcher Substanz die stammten.
    Nele Karminter entschied sich gegen die Entsorgung ihrer selbst. Stattdessen ließ sie Badewasser ein und fügte reichlich von dem Rosmarinöl hinzu, das pure Entspannung versprach. Entspannung war jetzt dringend notwendig.
    Während das Wasser einlief, zog sie die Unterwäsche aus und tappte nackt in die Küche. Die Fliesen waren eiskalt unter ihren bloßen Füßen. Sofort begann sie wieder zu zittern. Seit die Sanitäter eingetroffen waren und sie abgelöst hatten, hatte sie unaufhörlich gezittert, bis sie vor ein paar Minuten ihre Wohnung betreten hatte.
    Im Kühlschrank fand sie noch einen Rest Rotwein. Sie goss die mattrote Flüssigkeit in ein Wasserglas und nahm es mit ins Bad. Weder die Temperatur des Weines noch das Behältnis, aus dem sie ihn zu trinken gedachte, waren angemessen, doch das interessierte Nele nicht im Geringsten.
    Im Bad stiegen die ersten Dampfschwaden über der Badewanne auf. Nele stellte das Glas auf dem Wannenrand ab und wickelte den Verband vom Unterarm. Die beiden Schnitte waren nicht wirklich tief, aber mehrere Zentimeter lang. Sie waren vom Sanitäter professionell gereinigt und versorgt worden und hatten bereits Schorf gebildet. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.
    Mit den Zehen testete Nele vorsichtig die Wassertemperatur. Zum Einsteigen genau richtig. Langsam ließ sie sich ins Wasser hinab, achtete aber darauf, den verletzten Arm nicht zu belasten und nicht nass werden zu lassen. Als sie die letzten Zentimeter hineinglitt und sich der Wasserspiegel um ihren Brustkorb schloss, löste sich ein Seufzer tief in ihr. Sie schloss die Augen und verharrte kurz. Es war ein unglaublich
schöner Moment. Kaum zu fassen, dass sie noch vor zwei Stunden in der Hölle gewesen war.
    Nele beugte sich vor, stellte die Temperatur so ein, dass es richtig heiß wurde und trank im Sitzen die Hälfte des Weines. Kurz bevor die Wanne voll genug war und das Wasser so heiß, dass sie es gerade noch aushalten konnte, stellte sie es ab, trank den restlichen Wein in einem Zug und ließ sich bis zum Kinn ins nach Rosmarin duftende Badewasser gleiten. Beinahe sofort begann der Alkohol zu wirken, setzte in ihrem Kopf eine Scheibe in rotierende Bewegung und ließ ihre Glieder schwer werden. Nach und nach entspannten sich ihre Muskeln. Mit geschlossen Augen genoss sie das lähmende Gefühl, das der schwere Rotwein in ihr auslöste. Sie nahm die Stille der leeren Wohnung in sich auf, ließ die grausame Welt da draußen verblassen und schuf ein heimliches, sicheres Universum.
    Die Bilder verschwanden trotzdem nicht.
    Wie lange würde es dauern? Wie lange, die gebrochenen Augen in einem gespaltenen Schädel zu vergessen?
    Wäre sie nur fünf Minuten früher aus dem Präsidium weggekommen, dann hätte sie ganz normal nach Haus fahren, vorher noch eine Kleinigkeit einkaufen und sich dann den ruhigen Abend machen können, den sie so dringend brauchte. Fünf Minuten nur. Aber das Schicksal hatte heute Abend Lust gehabt zu spielen. Einzelne Sequenzen verblassten bereits – wahrscheinlich nur, um dem wirklich Grausamen genug Platz einzuräumen. Der aufsteigende Qualm, als die Fahrzeuge bremsten und Gummi auf dem Asphalt verbrannte. Die roten, schreienden Bremsleuchten. Und dann das Hindernis! Vierzig Tonnen Stahl auf Rädern, die quer auf der Bundesstraße standen. Keine Chance für die ganz vorn, irgendwohin auszuweichen.

    Das war die andere, noch furchterregendere Seite des Schicksals. Wäre sie nur wenige Sekunden früher vom Parkplatz ihrer Dienststelle gefahren, hätte sie

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