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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Fachinger mit dem Filzstift gemalt hatte. Gemeinsamkeiten gab es einige. Zum Beispiel hatten Goldberg und Schneider enge Beziehungen zur Familie Kaltensee gehabt, waren mit derselben Waffe getötet worden und hatten in jüngeren Jahren zur SS gehört. Aber das brachte ihn nicht weiter. Bodenstein stieß einen Seufzer aus. Es war einfach zum Verrücktwerden. Wo sollte er ansetzen? Mit welcher Begründung konnte er ein weiteres Gespräch mit Vera Kaltensee führen? Da ihm die Ermittlungen im Mordfall Goldberg offiziell entzogen worden waren, durfte er natürlich nicht über die Laborergebnisse und die DNA-Spur am Weinglas sprechen. Watkowiaks Freundinmusste nicht zwangsläufig von demselben Täter ermordet worden sein, der Goldberg und Schneider erschossen hatte. Es gab keine Augenzeugen, keine Fingerabdrücke, keine Spuren – außer denen von Robert Watkowiak. Der schien der ideale Täter zu sein: Er hatte an allen Tatorten Spuren hinterlassen, hatte die Mordopfer gekannt und dringend Geld gebraucht. Er mochte Goldberg ermordet haben, weil der nichts rausgerückt hatte, Schneider, weil der ihm mit einer Anzeige gedroht hatte, und Monika Krämer, weil sie ein Risiko war. Auf den ersten Blick passte es wirklich perfekt. Nur die Mordwaffen fehlten.
    Die Tür ging auf. Bodenstein war nicht sonderlich überrascht, seine zukünftige Chefin zu sehen.
    »Hallo, Frau Dr. Engel«, sagte er höflich.
    »Ich dachte mir schon, dass dir Förmlichkeit lieber ist.« Sie musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. »Also gut. Hallo, Herr von Bodenstein.«
    »Das ›von‹ dürfen Sie gerne weglassen. Was kann ich für Sie tun?«
    Kriminalrätin Nicola Engel blickte an ihm vorbei auf die Tafel und legte die Stirn in Falten.
    »Ich dachte, die Fälle Goldberg und Schneider seien aufgeklärt.«
    »Ich fürchte, nicht.«
    »Kriminaldirektor Nierhoff sagte, dass die Beweise gegen den Mann, der seine Lebensgefährtin getötet hat, geradezu erdrückend seien.«
    »Watkowiak hat Spuren hinterlassen, mehr nicht«, korrigierte Bodenstein. »Allein die Tatsache, dass er irgendwann einmal an den Tatorten gewesen ist, macht ihn in meinen Augen nicht automatisch zum Mörder.«
    »Aber so stand es heute Morgen in den Zeitungen.«
    »Papier ist geduldig.«
    Bodenstein und Nicola Engel sahen sich an. Dann wandte sie den Blick ab, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an einen der Tische.
    »Ihr habt also euren Vorgesetzten gestern mit unrichtigen Informationen in die Pressekonferenz gehen lassen«, stellte sie fest. »Gibt es dafür einen speziellen Grund, oder ist das hier so Usus?«
    Bodenstein reagierte nicht auf diese Provokation.
    »Die Informationen waren nicht unrichtig«, antwortete er. »Aber leider lässt sich der Herr Kriminaldirektor oft nicht bremsen, besonders dann nicht, wenn er einen schnellen Ermittlungserfolg für notwendig hält.«
    »Oliver! Als zukünftige Leiterin dieser Behörde will ich wissen, was sich hier im Hause abspielt. Also: Warum gab es gestern eine PK, wenn die Fälle noch nicht aufgeklärt sind?« Ihre Stimme klang scharf und erinnerte Bodenstein unangenehm an einen anderen Fall und einen anderen Ort. Trotzdem wollte er nicht vor ihr kuschen und wenn sie hundertmal seine Chefin werden würde.
    »Weil Nierhoff es so wollte und mir nicht zugehört hat«, entgegnete er mit derselben Schärfe. Sein Gesichtsausdruck war ruhig, beinahe gleichgültig. Ein paar Sekunden lang starrten sie einander an. Sie ruderte zurück, bemüht um einen gelassenen Tonfall.
    »Du nimmst also nicht an, dass alle drei Personen vom selben Täter getötet wurden?«
    Bodenstein ignorierte die vertrauliche Anrede. Als erfahrener Polizist kannte er sich mit Verhörtaktiken bestens aus und ließ sich vom Wechsel zwischen Aggression und Versöhnlichkeit nicht verunsichern.
    »Goldberg und Schneider wurden von derselben Person getötet. Meine Theorie ist, dass jemand keine weiteren Ermittlungen wünscht und deshalb unseren Verdacht aufWatkowiak lenken will, den wir noch nicht gefunden haben. Aber das ist bisher reine Spekulation.«
    Nicola Engel trat vor die Tafel.
    »Wieso hat man euch den Fall Goldberg entzogen?«
    Sie war klein und zierlich, dennoch konnte sie eine einschüchternde Wirkung auf andere Menschen haben, wenn sie es darauf anlegte. Bodenstein fragte sich, wie seine Kollegen – insbesondere Behnke – mit dieser neuen Chefin zurechtkommen würden. Ihm war klar, dass sich Frau Dr. Engel nicht wie Nierhoff mit

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