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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Fall Goldberg entzogen«, sagte Bodenstein nun. »Und heute wurde die Wohnung von Frau Frings komplett ausgeräumt, bevor wir uns dort umschauen konnten.«
    Die Geschwister Kaltensee sahen ihn an, offenkundig er staunt über den abrupten Themenwechsel.
    »Warum sollte jemand die Wohnung ausräumen?«, fragte Siegbert.
    »Ich habe das Gefühl, jemand will unsere Ermittlungen behindern.«
    »Weshalb denn das?«
    »Tja. Das ist wohl die Gretchenfrage. Ich weiß es nicht.«
    »Hm«, Jutta sah ihn nachdenklich an, »Anita war zwar nicht reich, aber sie hatte einigen Schmuck. Vielleicht waren es Leute aus dem Altersheim. Anita hatte keine Kinder, und das wussten sie sicher.«
    Daran hatte Bodenstein selbst kurz gedacht. Aber deswegen hätte man nicht die Wohnung bis auf die Möbel ausräumen müssen.
    »Es kann ja kein Zufall sein, dass sie alle drei auf dieselbe Weise umgebracht wurden«, fuhr Jutta in ihren Überlegungen fort. »Onkel Jossi hatte ganz sicher eine bewegte Vergangenheit, in der er sich nicht nur Freunde gemacht hat. Aber Onkel Herrmann? Oder Anita? Das kann ich nicht verstehen.«
    »Was uns zu denken gibt, ist diese Zahl, die der Täter anallen drei Tatorten hinterlassen hat. 1-6-1-4-5. Es scheint mir ein Hinweis zu sein. Aber worauf?«
    In diesem Moment ging die Tür auf. Jutta zuckte erschrocken zusammen, als Moormann im Türrahmen erschien.
    »Können Sie nicht anklopfen?«, herrschte sie den Mann an.
    »Ich bitte um Verzeihung.« Moormann nickte Bodenstein höflich zu, sein Pferdegesicht blieb ausdruckslos. »Der gnädigen Frau geht es schlechter. Ich wollte die Herrschaften nur informieren, bevor ich jetzt den Notarzt rufe.«
    »Danke, Moormann«, sagte Siegbert. »Wir kommen so fort nach oben.«
    Moormann deutete eine Verbeugung an und verschwand.
    »Entschuldigen Sie mich bitte.« Siegbert Kaltensee wirkte plötzlich sehr besorgt. Er nestelte eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts und reichte sie Bodenstein. »Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie mich an.«
    »Natürlich. Richten Sie Ihrer Mutter meine Genesungswünsche aus.«
    »Danke. Kommst du, Jutta?«
    »Ja, sofort.« Sie wartete, bis ihr Bruder gegangen war, dann zog sie mit fahrigen Fingern eine Zigarette aus dem Päckchen.
    »Furchtbar, dieser Moormann!« Sie war ganz blass im Gesicht, tat einen tiefen Zug. »Schleicht überall lautlos herum und erschreckt mich jedes Mal fast zu Tode, dieser alte Spion!«
    Bodenstein wunderte sich. Jutta war in diesem Haus aufgewachsen und sicher seit ihrer Kindheit an diskretes Haus personal gewöhnt. Sie gingen durch die Eingangshalle zur Haustür. Jutta Kaltensee blickte sich argwöhnisch um.
    »Es gibt da übrigens noch jemanden, mit dem Sie sich unterhalten sollten«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »ThomasRitter, der ehemalige Assistent meiner Mutter. Dem traue ich alles zu.«
    Bodenstein ging nachdenklich zu seinem Auto. Elard Kaltensee mochte weder seine Mutter noch seine Geschwister, die seine Abneigung beide mit Herablassung erwiderten. Weshalb lebte er dann auf dem Mühlenhof? Siegbert und Jutta Kaltensee hatten sich höflich und hilfsbereit verhalten und ohne zu zögern auf jede seiner Fragen geantwortet, aber auch sie beide schienen erstaunlich wenig betroffen vom brutalen Ableben der drei Alten, die sie angeblich so sehr geschätzt hatten. Bodenstein blieb neben seinem Auto stehen. Irgendetwas hatte ihn während seines Gesprächs mit den beiden Kaltensees stutzig werden lassen, nur was? Die Dämmerung senkte sich herab, mit einem Zischen starteten die Rasensprenger, die für das saftige Grün der weitläufigen Rasenflächen verantwortlich waren. Und da fiel es ihm ein. Es war nur ein Nebensatz gewesen, den Jutta Kaltensee gesagt hatte, aber er konnte durchaus wichtig sein.

Samstag, 5. Mai 2007
    Bodenstein blickte auf die zusammengeklebten Papierstreifen, die Pia Kirchhoff ihm in die Hand gedrückt hatte, und lauschte ungläubig ihrer Erklärung, wie sie an dieses Beweismaterial gelangt war. Sie standen vor der Haustür seines Hauses, hinter der hektische Betriebsamkeit herrschte. Er konnte sich in dieser Phase der Ermittlungen eigentlich keinen freien Tag erlauben, aber es wäre unweigerlich zu einer mittelschweren Familienkrise gekommen, wenn er am Tag der Taufe seiner jüngsten Tochter ins Kommissariat gefahren wäre.
    »Wir müssen unbedingt mit Vera Kaltensee sprechen«, drängte Pia. »Sie muss uns mehr über die drei Toten erzählen. Was, wenn das jetzt so

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