Tiefe
darfst du verraten, das würde mich in Gefahr bringen, mir würden Repressalien drohen und die Gefahr der Entlassung. Ich werde bald wieder schreiben.
Er warf den Brief am Bahnhof ein, kaufte eine Fahrkarte nach Norrköping und verließ die Stadt. Kurz vor Södertälje kam der Zug an einem lokalen Waldbrand vorbei. Der Rauch legte sich wie ein Nebel über das Abteilfenster.
Das ist der, den ich suche, dachte er. Der Nebel, in den ich hineinrudern kann, auf die gleiche Weise, wie ich mich einer einsamen Schäre genähert habe und Sara Fredrika fand.
Er fuhr weiter nach Söderköping und verbrachte die Nacht in dem Hotel an der Kanalböschung. Ohne daß er verstand, warum, trug er sich unter falschem Namen ein. Er nannte sich Ludwig Tacker, gab keinen Titel an und nannte als Adresse die Humlegärdsgata.
Die Nacht war schwül. Er lag wach auf den Laken.
Hier weiß niemand, wo ich bin, dachte er. Im Moment bin ich sicher. Wenn alle meine Position bestimmen können, habe ich mich verirrt.
In der Morgendämmerung machte er einen gestimmt und glücklich über die Geburt des Kindes, sei sich dabei aber seiner Pflichten sehr bewußt.
Der Brief war kurz. Er klebte den Umschlag zu und verließ das Hotel.
Der Tag war heiß. Erst als er auf den Pfad kam, der sich am Fluß entlangschlängelte, empfand er so etwas wie Abkühlung.
Als er auf dem Stein in der Lichtung saß, begann er zu überlegen. Sollte er seinen Auftrag länger ausdehnen als ursprünglich beabsichtigt? Der Pfad neben dem Fluß, der warme und feuchte Geruch nach Lehm und Schlamm, lenkte seine Gedanken zu anderen Kontinenten, vielleicht nach Afrika, Asien. Ein Kurier würde seine Briefe über die Grenze bringen und in Schweden aufgeben. Kristina Tacker würde sich vor fernen Gefahren ängstigen, vor Krankheiten, Insekten und Schlangen, die stachen oder bissen. Zugleich würde der Abstand sein Geheimnis vergrößern, sie würde es niemandem erzählen, nicht einmal ihrem eigenen Vater. Sie verstand auch nichts von Kriegsschiffen. Wenn er behauptete, es gebe ein Schiff, das sich in der atemberaubenden Geschwindigkeit von 80 Knoten fortbewegen könne, würde sie seine Angabe nicht in Frage stellen.
Kristina Tacker stellte keine Geheimnisse in Frage.
Er blieb auf dem Stein sitzen und spielte mit dem Gedanken an Expeditionen in ferne Länder.
Er nahm eine Vermessung vor, an der er sich noch nie versucht hatte. Wie weit von der Wahrheit entfernt würde er eine Phantasie hegen können, ohne daß sie zerbrach?
Es gab natürlich keine Antwort. Er stellte sich auch vor, daß er das Lot in eine Taucherglocke verwandelte und selbst mit hinunter in die Tiefe sank. Wieviel Druck würde er aushalten ? Würde die Schale standhalten oder würde sie zerbrechen und er selbst zurück an die Oberfläche und zur Wahrheit emporgeschleudert werden?
Es war bereits Nachmittag, als er sich von dem Stein erhob und seinen Weg zur Flußmündung fortsetzte.
Er stellte sich vor, daß er auf einem Pfad irgendwo in einem dampfenden Regenwald in einem namenlosen tropischen Land entlangstapfte.
Das Boot war vom selben Typ wie das von Sara Fredrika, aber das Segel war geflickt, und die Knechte waren betrunken. Sie schliefen zusammengedrängt zwischen leeren Wannen und Körben im Boot. Als er sie weckte, war es bereits sechs. Der ältere von beiden, Elis, fragte, ob er den Branntwein dabeihabe. Er zeigte ihnen die Flaschen, sagte aber, daß er sie nicht übergeben werde, bevor sie sich nicht südlich vom Finntarmen befänden, und am liebsten erst dann, wenn sie am Ziel wären.
Aber was war das Ziel? Es war der jüngere von beiden, Gösta, der fragte.
»Das ist geheim. Ein militärischer Auftrag«, erwiderte er. »Ich muß an einer Schäre an Land gehen und werde von dort von einem Schiff der Flotte abgeholt.«
»Welche Insel?« fragte Gösta.
»Ich werde sie euch zeigen, wenn wir uns nähern.«
Die Knechte waren verkatert und mißgelaunt und wollten bis zum nächsten Morgen warten, ehe sie die Flußmündung verließen. Aber er drängte sie, er hatte keine Zeit. Es blies eine steife Brise, so daß sie von Slätbaken wegsegeln konnten, statt über Nacht dort zu liegen. Gösta saß an der Pinne, während Elis das Segel bediente. Jedesmal, wenn er die Schoten dichtholte oder fierte, stieß er einen Fluch aus.
Lars Tobiasson-Svartman kauerte sich im Vorschiff zusammen. Den Sack mit dem Lot hatte er zwischen den Beinen. Es roch herb vom Meer, so wie er sich von seiner Zeit auf der Blenda
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