Tiefer gelegt
Das Terminal besteht aus einem ebenerdigen,
weiß verputzten Bau mit einem orangefarbenen Ziegeldach,
und es wirkt viel zu hübsch, zu entspannt und zu klein, als dass
es zu irgendwas gehören könnte, das als internationaler Flughafen bezeichnet wird. Wir stellten den Wagen auf dem Parkplatz unter ein paar Palmen ab und folgten Hooker ins Terminal.
»Du scheinst zu wissen, was du tust«, sagte ich zu Hooker.
»Ich bin hier schon öfter abgeflogen, wenn ich zum Angeln
oder einen Rundflug machen wollte. Abgesehen davon
täuschst du dich. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich
tue.«
Wir waren inzwischen eingetreten und schauten uns um.
Ein schlanker Mann mit phantastischer Sonnenbräune kam auf
uns zugeschlendert. Zu seinen Sandalen und Shorts trug er ein
kurzärmliges Hemd mit offenem Kragen und haufenweise
roten und grünen Papageien darauf. Die langen Haare hatte er
zu einem Pferdeschwanz gebündelt, seine Sportsonnenbrille
hing an einer Kordel um seinen Hals, seine blauen Augen waren von Falten eingerahmt, und sein Lächeln strahlte uns an.
»Wo hast du gesteckt, verfluchte Scheiße?«, begrüßte er
Hooker. »Ich habe dich seit Monaten nicht gesehen.«
»Zum Saisonende wird’s immer eng. Und dann musste ich
über die Feiertage nach Texas.«
»Und was hast du jetzt vor, interessierst du dich für kubanische Immobilien?«
»Meine Yacht ist mir abhanden gekommen. Ich dachte, ich
sollte danach suchen. Das sind Barney, Rosa und Felicia. Barney kommt mit uns.«
Der Pferdeschwanz nickte uns zu. »Chuck DeWolfe. Es ist
mir ein Vergnügen, meine Damen.«
»Ist es nicht illegal, Kuba zu überfliegen?«, fragte ich
Chuck.
»Nicht für mich«, antwortete er. »Ich bin kanadischer
Staatsbürger.«
»Und was fliegen Sie?«, erkundigte sich Rosa. »Ein Wasserflugzeug?«
»Einen Helikopter«, antwortete Chuck.
Einen Helikopter! Ich hatte noch nie in einem Helikopter
gesessen. Und das auch nie ausprobieren wollen. Eher würde
ich in einem Lift zum Mars fahren, als dass ich in einem Helikopter auch nur fünfzig Meter über dem Boden schweben
wollte.
»Barney wird ein bisschen nervös, wenn es zu hoch wird«,
sagte Hooker.
»Kein Problem«, erklärte mir Chuck. »Wir werden schön
niedrig fliegen.«
Felicia bekreuzigte sich und flüsterte auf Spanisch einen
Rosenkranz. »Ihr werdet zerschellen und sterben«, hauchte sie.
»Niemand wird euch finden. Die Haie werden euch fressen,
und es wird nichts von euch übrig bleiben. Ich kann alles sehen.«
»Ja, man muss schon irre sein, um in einen Helikopter zu
steigen«, bekräftigte Rosa. »Nur Männer steigen in einen Helikopter. Frauen sind zu gescheit dafür.« Sie drohte mir mit
dem Finger. »Lassen Sie sich nicht von ihm überreden, in dieses Ding zu steigen. Er mag heiß aussehen, aber das heißt
nicht, dass er ein Hirn hat.«
»Mann o Mann«, sagte Hooker. »Immer langsam mit den
jungen Pferden.«
»Ja, das ist echt gemein«, sagte Chuck. »Andererseits hat
sie gesagt, dass du heiß aussiehst, Alter.«
Hooker und Chuck absolvierten eine Version des Abklatschens, die an einen ausgefeilten Tanz erinnerte.
»Wahrscheinlich ist es überflüssig, dass wir alle mitfliegen«, sagte ich. »Ich könnte genauso gut hier bleiben.«
Hooker sah mir ein paar Herzschläge lang in die Augen.
»Du bist doch noch hier, wenn ich zurückkomme, oder?«
»Aber ja.«
»Ehrenwort?«
»Leg’s nicht drauf an«, sagte ich.
Rosa, Felicia und ich sahen den beiden Männern auf ihrem
Weg zum Helikopter nach.
»Er könnte eine Krankheit wert sein«, meinte Felicia.
»Nichts Schlimmes. Nur eine kleine.«
»Das sage ich Ihrem Mann«, sagte Rosa. »Sie haben
schmutzige Gedanken über einen anderen Mann.«
»Denken zählt nicht«, widersprach Felicia. »Eine Frau darf
denken, was sie will. Sogar eine gute katholische Frau darf
denken, was sie will.«
»Ich würde vorschlagen«, wechselte Rosa das Thema, »wir
gehen erst essen und dann einkaufen.«
Wir fuhren zurück in die Old Town, parkten am Hafen und
spazierten die Duval Street hinauf. Dort setzten wir uns draußen vor ein Touristenneppcafé und aßen Sandwiches mit frittiertem Fisch und Limonentorte.
»Ich mache besseren Kuchen«, behauptete Felicia. »Das
Geheimnis ist Kondensmilch.«
Ein schwarzes Aufblitzen lenkte mich ab. In Key West tragen nicht viele Menschen Schwarz. Ich schaute von meiner
Torte auf und dem Killer mit dem gegelten Schwarzhaar in die
Augen. Er schien ebenso überrascht über meinen Anblick wie
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