Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
wollte keine Szene machen.
„Ich wollte gar nichts damit beweisen. Meine Güte, Bess, würdest du jetzt bitte mal stehen bleiben und mich anschauen?“
„Ich muss zur Arbeit, Andy. Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit dir zu streiten.“
„Hast du keine Zeit, oder willst du einfach nur nicht?“
Nun blieb sie stehen. „Ich will nicht. Ich will mich nicht über all das mit dir streiten.“
„Also ist das alles meine Schuld? Ich fahre vier Stunden mit dem Auto hierher, um meine Freundin zu sehen und finde sie in der Wohnung eines anderen, aber es ist meine Schuld?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
Andy starrte sie wütend an. „Das musstest du auch nicht.“
„Leg mir keine Wörter in den Mund, Andy.“ Bess schob ihr Fahrrad über die Straße in Richtung Ortszentrum. Zu ihrer Linken befand sich ein hoher Totempfahl, der da schon seit Jahren stand. Er schien ihr einen missbilligenden Blick zuzuwerfen. Sie konnte es ihm nicht verübeln.
„Ich lege dir keine Wörter in den Mund. Bleib endlich stehen und sprich mit mir.“
„Ich will nicht mit dir reden!“ Da, jetzt war es raus. Die Wahrheit. Sie hatte sie nicht herausschreien wollen, fühlte sich aber sofort besser. „Ich will nicht mit dir darüber reden, Andy. Nicht jetzt.“
Und vielleicht nie.
„Ich bin Stunden gefahren …“
„Was willst du? Eine Medaille? Du bist Stunden gefahren, um zu mir zu kommen, als du Lust dazu hattest. Aber als ich dich am Anfang des Sommers gefragt habe, ob du herkommen kannst, ließ es sich natürlich unmöglich einrichten.“
Sie blieb stehen und schaute ihn an. Ihre Finger umklammerten den Lenker so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Andy hatte die Sündermiene aufgesetzt, die sie ihm so gerne glauben wollte, aber nicht konnte. Bess biss sich auf die Zunge, um die Anschuldigungen zurückzuhalten, die auf ihr lagen, die sie ihm aber nicht entgegenschleudern wollte.
„Ich bin deinetwegen gekommen“, sagte Andy, als wenn das alles besser machen würde.
Bess konnte sich nicht entscheiden, ob sie wünschte, dass es das täte oder froh war, dass dem nicht so war.
„Vielleicht hättest du etwas eher kommen sollen.“
Nun endlich zuckte Andy zusammen. „Schläfst du mit dem Kerl?“
„Was hat dich dazu gebracht hierherzukommen, um es herauszufinden? Ich habe dich ein Dutzend Mal gebeten, zu mir zu kommen. Und immer hattest du eine Ausrede, warum es nicht ging.“
„Es tut mir leid.“
Dieses Mal glaubte sie ihm. „Verdammt, Andy, ich habe mit dir Schluss gemacht, und du hast es noch nicht einmal bemerkt!“
Er blinzelte und schluckte schwer. Bess war erstaunt zu sehen, dass sie tatsächlich seine Gefühle verletzt hatte. Scham und ein heimliches, verbotenes Vergnügen setzten sich nebeneinander in ihrem Magen fest.
„Du hast mit mir Schluss gemacht?“
„Hast du die Nachricht nicht bekommen?“
„Ja, aber ich dachte, dass Matty mich verarscht. Ich wusste nicht, dass es bedeutete, du würdest mit mir Schluss machen.“ Andy blinzelte wieder.
„Und trotzdem hast du nicht angerufen“, stellte Bess fest. „Wow. Die Sache mit uns muss dir wirklich was bedeuten.“
„Bist du jetzt mit ihm zusammen? Diesem anderen Typen?“
„Er heißt Nick. Und … ich weiß nicht, ob ich mit ihm zusammen bin.“
Andys Gesicht verlor jeglichen Ausdruck. „Du schläfst mit ihm.“
„Andy, ist das nicht egal?“, fragte sie. „Du hast den ganzen Sommer in der Gegend herumgevögelt, und vielleicht sogar schon vorher! Hast du wirklich gedacht, ich würde es nicht erfahren?“
„Das hab ich nicht!“ Doch die Schuld in seinen Augen verriet ihr die Wahrheit.
Bess lächelte spöttisch. „Oh, bitte. Ich bin nicht doof. Gib es wenigstens zu, Andy. Du hast in der Gegend herumgebumst.“
„Es hat mir nichts bedeutet“, murmelte er ertappt, immer noch nicht ganz bereit, einen Fehler zuzugeben.
„Nun, aber mir hat es was bedeutet.“ Bess sah zu Boden, erstaunt, eine Träne in den Staub auf ihren Turnschuhen fallen zu sehen. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie weinte.
„Also hast du dich entschieden, es mir heimzuzahlen? Oder … was?“ Andy sah ernsthaft verwirrt aus.
Bess schaute ihn an. Seine Gesichtszüge waren verschwommen, aber es war immer noch das Gesicht, das sie so viele Jahre geliebt hatte. „Ich habe das nicht gemacht, um dir etwas heimzuzahlen, Andy. Es ist einfach passiert. Und ja, ich habe mit ihm geschlafen. Ich sage dir die Wahrheit, auch wenn du sie mir nicht hast sagen
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