Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
hätte sie es nicht gewagt, das Thema anzuschneiden. Aber jetzt schien alles, was er sagte, sie zu Widerworten herauszufordern. „Wie war das Konzert überhaupt?“
„Geht es darum?“ Bei Andys Lachen rollten sich ihre Zehennägel auf – und nicht auf die gute Art. „Bis du deswegen immer noch sauer?“
„Weil du einem anderen Mädchen meine Karte zu dem Konzert meiner Lieblingsband gegeben hast? Wieso sollte ich deswegen sauer sein, Andy?“
„Sei nicht so zickig.“
„Wieso nennst du mich jedes Mal, wenn ich etwas anspreche, was du getan hast, zickig?“ Bess warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo eine neue Runde Verwandter dabei war, es sich gemütlich zu machen.
Diese Woche waren es ihre Cousine Danielle und deren Ehemann Steve mit ihren drei süßen, aber unglaublich anstrengenden Kindern. Bess hatte bereits versprochen, einen Abend auf die Kleinen aufzupassen. Ein Angebot, das weit weniger generös klang, wenn man bedachte, dass Danielle und Steve ihr dafür beinahe so viel zahlten, wie sie an einem Tag im Sugarland verdiente.
„Willst du nun, dass ich komme oder nicht?“
„Ich wollte, dass du mich mit auf das Konzert nimmst“, sagte Bess mit leiser Stimme.
„Meine Güte, kannst du es nicht mal gut sein lassen?“
„Nein“, erwiderte sie. „Ich schätze, das kann ich nicht.“
Andy stieß einen langen, leidgeprüften Seufzer aus. „Wenn ich gewusst hätte, dass du mir damit so lange in den Ohren liegst, Bess …“
„Ich denke, das hättest du dir denken können, Andy“, unterbrach Bess ihn. „Es ist ja nicht so, dass ich dir nicht erzählt habe, wie ich mich fühle. Oder dir gesagt hätte, dass es okay ist, wenn du ohne mich dorthin gehst. Du wusstest es und hast es trotzdem gemacht.“
Das war es, was sie am meisten störte. Mehr noch, als dass er ein anderes Mädchen mitgenommen hatte. Die Tatsache, dass sie ihm gesagt hatte, wie sie sich fühlte, und er es einfach missachtet hatte. Seitdem konnte sie nicht aufhören, an all die anderen Situationen zu denken, in denen er keine Rücksicht auf sie oder ihre Wünsche genommen hatte.
Andy reagierte ruhig. „Es tut mir leid, okay?“
„Nein, es ist nicht okay“, rief sie in den Hörer; ihre Stimme klang hoch und dünn.
„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Es ist vorbei! Ich bin hingegangen, okay? Es gibt nichts mehr, was ich daran jetzt noch ändern könnte.“
„Nein. Du hast recht. Du kannst nichts tun.“
„Ich habe gesagt, dass es mir leid tut, Bess.“
Es wäre einfacher gewesen, ihm zu verzeihen. Es ad acta zu legen. Sich wieder mit ihm zu vertragen. Aber Bess sagte nichts, und das Schweigen zwischen ihnen wuchs und wuchs, und sie konnte sich nicht vorstellen, was Andy dachte und konnte auch nicht aufhören, Nicks Gesicht vor sich zu sehen.
„Ich liebe dich“, sagte Andy endlich.
„Tust du das? Wirklich?“
Er legte einfach auf. Sie starrte das Telefon ein paar Sekunden lang an, dann legte sie den Hörer zurück auf die Gabel. Arschloch. Ihr Magen drehte sich um und ihre Hände zitterten, aber sie weinte nicht.
Das Stimmengemurmel hinter sich zurücklassend, ging Bess in ihr Zimmer. Es war sehr aufgeräumt, weil sie es sich nicht leisten konnte, es unordentlich werden zu lassen. Sie hatte so schon kaum genug Platz. An dem Holzschreibtisch zog sie eine Schachtel mit Briefpapier hervor. Es hatte ihr Initial E für Elisabeth eingeprägt und war vor vielen Jahren ein Weihnachtsgeschenk von einer ledigen Tante gewesen. Bess benutzte es nie, weil sie sich nicht als E sah und ihr das Schreiben auf Büttenpapier immer so vorkam, als würde sie ein Kostüm überstreifen. Jetzt jedoch holte sie ein Blatt und einen passenden Umschlag hervor und nahm sich einen Stift.
Lieber Andy,
ich liebe dich nicht mehr.
Andy. Ich würde dich hassen, aber du bedeutest mir nicht mehr genug, um so ein Gefühl in mir zu wecken.
Andy,
ich habe mit jemandem geschlafen, und er hat mir einen so heftigen Orgasmus besorgt, dass ich für einen Augenblick blind geworden bin. Ich denke, ich bin dabei, mich in ihn zu verlieben. Also kannst du ruhig deine kleine Möse aus dem Büro behalten und mit ihr alle Konzerte besuchen, die du willst.
Lieber Andy, ich bin mir nicht sicher, wie ich dir das sagen soll, außer, indem ich dir die Wahrheit sage. Ich glaube, ich liebe dich nicht mehr. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du mich auch nicht mehr liebst, denn wenn du es tätest, hättest du mich mit zu Fast Fashion genommen und nicht
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