Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)
das leicht. Entschuldige.«
»Schon gut.«
*
»Woran hat’s denn nun gelegen, Tiny? Haben sie dir einen Grund für die Verspätung des Koffers genannt?«
»Er ist in Hamburg stehen geblieben. Vermutlich hat der Scanner den Barcode auf dem Anhänger nicht lesen können. Irgend so was muss es gewesen sein, meinten sie.«
»Ging ja schnell.«
»Ja, die Airports sind gut vernetzt. Das war schon zu meiner Zeit so. Ihr habt Glück gehabt, dass heute ein zweiter Flieger ging.«
Jung schwieg. Hatte er Glück gehabt? So konnte man das tatsächlich sehen. Tinys Sicht auf die Dinge tat ihm gut, und sein Gemüt heiterte sich zusehends auf.
Tiny fuhr, als hätte er es eilig. Jung schwieg, weil auch Tiny schwieg, aber auch, weil er ihn beim Fahren nicht stören wollte. Jung hatte außerdem genug damit zu tun, sich abzulenken. Andernfalls wäre ihm der Angstschweiß auf die Stirn getreten.
Er war froh, als sie schließlich in Carvoeiro angekommen waren, ohne dass Schlimmeres passiert war als der Beinahezusammenstoß mit einer Ziege.
Tiny verabschiedete sich und stellte ihm den Koffer vor die Füße. »Kannst die Zeitung behalten. Interessante Lektüre.«
Jung wunderte sich über Tinys Hast. Sie passte nicht zu dem umgänglichen Kerl, den er bis jetzt kennengelernt hatte. Aber es störte ihn weiter nicht. Er war froh, Svenja den Koffer bringen und mit ihr allein sein zu können.
Er schleppte das Monster hinüber. Svenja musste ihn kommen gehört haben, denn sie öffnete die Tür, bevor Jung das Podest betreten hatte.
»Hi, Svenja, da ist das gute Stück«, sagte Jung zufrieden.
»Endlich, Gott sei Dank. Jetzt kann ich die Klamotten wechseln. Danke, Tomi. Wie hast du das geschafft?«
Er erzählte kurz, was passiert war. Über Tinys Hilfe war sie nicht begeistert, vergaß aber ihren Unmut über der Freude, ihren Koffer endlich wiederzuhaben. Sie verschwand mit ihm im Schlafzimmer. Jung ließ sie allein mit ihrem Glück.
Er setzte sich in die Küche und las in der mitgebrachten Zeitung. Er konnte sich nicht auf die Lektüre konzentrieren und legte sie beiseite. Er war einfach nur erleichtert und spürte jetzt seine Müdigkeit doppelt. Auf der Terrasse legte er sich in einen Gartenstuhl und schlief sofort ein.
*
Als er aufwachte, stand die Sonne kurz über dem Horizont, und es dämmerte. Svenja saß ihm gegenüber in einem neuen, frischen Outfit und beobachtete den Swimmingpool. Er war beleuchtet. Tiny schwamm darin herum und prustete wie ein Walross. Jung winkte ihm freundlich zu. Tiny schien das als Einladung aufzufassen und beendete sein Bad. Er warf sich einen Bademantel über, stieg in ein Paar riesige Flipflops und kam den Hang hinauf. Er holte ein Päckchen Zigaretten aus seinem Bademantel und steckte sich eine an. Das metallische Zuschnappen seines Zippos klang in der abendlichen Stille wie ein Pistolenschuss.
»Hab nicht viel Zeit. Muss gleich wieder los. Mit dem Koffer alles in Ordnung?«
Svenja schwieg wie ein Grab.
»Alles klar, Tiny. Danke nochmals für deine Hilfe. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren.«
»Oh ja, ich hab auch schon ’ne Idee.« Er grinste verschmitzt. »Bis morgen. Ich muss wirklich los. Schönen Abend noch.«
In Ermangelung eines Aschenbechers versuchte Tiny, seinen Zigarettenstummel in die Blumenrabatte zu schnippen. Er verfehlte sein Ziel und die Kippe landete auf der Terrasse. Er trat sie mit dem Fuß aus und winkte ihnen zum Abschied zu.
»Schönen Abend, Tiny!«, rief Jung ihm hinterher.
Tiny stolzierte den Hang hinunter und verschwand hinter der Jasminhecke. Svenja gähnte demonstrativ.
»Ich gehe ins Bett. Ich bin müde. Ich hab schon gegessen. Für dich steht eine Kleinigkeit im Kühlschrank. Gute Nacht.«
»Gute Nacht. Ich komme, sobald ich gegessen habe.«
»Lass dir Zeit. Guten Appetit.«
Sie ließ ihren Mann auf der Terrasse zurück. Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Svenja hatte sich Mühe gegeben. Sie wusste sehr gut, wie die Augen mitaßen. Jung setzte sich mit der kalten Platte und einer Flasche Bier zurück auf die Terrasse. Die Häppchen vom Elefantenfuß schmeckten köstlich, das Bier war perfekt temperiert und die Abendluft war lau und mild. Er war mit sich und der Welt zufrieden.
Als er das Schlafzimmer betreten wollte, stand seine Reisetasche vor der Tür. Er war zu erschöpft, um enttäuscht zu sein. Er machte keinen Versuch, die Klinke herunterzudrücken. Er kannte seine Frau zu gut und schickte sich ins
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